Bisher hat sich die Landeszentrale für politische Bildung kritisch mit der AfD beschäftigt. Nun will die neue Landtagspartei den Spieß umdrehen: im Kuratorium kontrollieren drei ihrer Abgeordneten künftig die LpB. Drohen bald Konflikte wie in anderen Bundesländern?
Stuttgart - Mit der Alternative für Deutschland (AfD) hat sich die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) Baden-Württemberg immer wieder kritisch beschäftigt. Es gehöre zu ihren „Kernaufgaben“, sich mit politischen Phänomenen auseinanderzusetzen, sagt der Direktor Lothar Frick – also auch mit dem Rechtspopulismus. Manche AfD-Leute wehrten sich zwar gegen dieses Etikett, aber insgesamt sei die Partei fraglos rechtspopulistisch. Gleich reihenweise sieht Frick die Kriterien dafür erfüllt. Die Haltung „Wir gegen die Anderen“, die Betonung der Nation, die Skepsis gegen Einwanderung und den Islam, die Neigung zu Verschwörungstheorien, das „eher rückwärtsgewandte Frauenbild“ - all das verbinde die AfD mit verwandten Gruppierungen in Europa.
Nicht minder kritisch sieht der Leiter der Freiburger Außenstelle der Landeszentrale, Michael Wehner, die neue politische Kraft. Für die Medien ist er zu einem gefragten Gesprächspartner in Sachen AfD geworden. Mal analysiert er in Interviews deren Strategie, sich und ihre Themen mittels Provokationen ins Gespräch zu bringen, mal wirft er die Frage auf, ob es sich um eine „wirklich demokratische oder eben doch antidemokratische Partei“ handele. Davon, so Wehner, hänge für die etablierten Parteien der Umgang mit ihr ab – ob man sich nur abgrenze oder sie ausgrenze. So oder so sei mit der AfD „mittelfristig zu rechnen“.
AfD-Aufseher gegen Einseitigkeit
Nun will die AfD ihrerseits die Landeszentrale kritisch in den Blick nehmen, und zwar von innen. Drei Abgeordnete aus der jungen Landtagsfraktion – Rainer Balzer, Anton Baron und Rainer Podeswa - sind in das 24-köpfige Kuratorium gewählt worden, das die Überparteilichkeit der politischen Bildungsarbeit gewährleisten soll. Damit entscheiden sie künftig mit über thematische Schwerpunkte und den Haushalt der LpB; zudem dürfen sie beim Direktor „jederzeit Auskünfte über die laufende Arbeit“ einholen. Noch hat sich das Gremium nicht konstituiert; dies soll möglichst noch vor Weihnachten geschehen. Doch schon jetzt zeichnen sich gewisse Spannungen ab. Man werde sehr genau darauf achten, dass keine „Einseitigkeit“ herrsche, verlautet aus den Reihen der AfD-Vertreter.
Konflikte lassen schon die Erfahrungen in anderen Bundesländern erwarten. In Sachsen und im Saarland proklamiert die AfD per Programm sogar die Abschaffung der Landeszentralen für politische Bildung. „Politisch neutrale Aufgaben“ könnten von den Volkshochschulen übernommen werden, die anderen von den parteinahen Stiftungen, empfahl die sächsische „Alternative“; das eingesparte Geld solle den Volkshochschulen und „dem Gemeinwohl“ zugute kommen. Offensiv verfolgt wird die Forderung aber offenbar nicht. Als der wegen seines Umgangs mit Pegida kritisierte Dresdner LpB-Chef Frank Richter seinen Abgang ankündigte, bedauerte das ein Sprecher der Landtags-AfD ausdrücklich: Es sei „ein großer Verlust für die politische Diskussion und die Pluralität in Sachsen“.
Konflikt um Fachtagung in Mainz
In Rheinland-Pfalz wurde die Landeszentrale im Sommer massiv wegen einer Fachtagung attackiert. Das an Pädagogen gerichtete Seminar mit dem Titel „Jugendliche stärken gegen Radikalisierung“ habe „starke politische Schlagseite“, monierte die Mainzer Landtags-AfD. Der „sogenannte Rechtspopulismus“ – ohnehin ein strittiger Begriff – werde gleichgesetzt mit terroristischem Islamismus. Das sei „abwegig, unhaltbar und geradezu infam“, protestierte der Bildungsexperte der Fraktion. Der LpB-Direktor zeigte sich verärgert über die bis dahin einmalige Einmischung und wies die Vorwürfe als völlig unbegründet zurück; man habe keinen Grund, etwas am Tagungsprogramm zu ändern.
In Baden-Württemberg gibt sich die AfD bisher moderat. Man freue sich auf eine „gute Zusammenarbeit im Kuratorium“, sagt der Abgeordnete Balzer. Wenn die Landeszentrale ihren Auftrag gut erfülle, „stellt sich die Frage nach der Abschaffung nicht“. Überparteilich solle sie über Politik informieren, „Meinungsbildung oder gar Einseitigkeit in der Darstellung und / oder Themenwahl ist hier nicht angezeigt“. Aus seiner langjährigen Praxis als Lehrer hat der promovierte Maschinenbau-Ingenieur Balzer allerdings gewisse Zweifel. „Seitens vieler Schüler, mancher Lehrkräfte und einiger Eltern gab es … deutliche Kritik an der Art der Aufbereitung der Themen, die die LpB auf der Agenda hatte“. Einen Teil dieser Kritik könne er nachvollziehen, als Abgeordneter wolle er diesen Punkten nachgehen. Wie jede mit Steuergeldern finanzierte Einrichtung stehe die Landeszentrale und ihre Arbeit schließlich „im kritischen Licht der Öffentlichkeit“.
Forum für AfD – aber auch Widerspruch
Für den Direktor Frick (CDU) ist das selbstverständlich. „Unvoreingenommen und dialogbereit“ werde er den AfD-Vertretern begegnen, auch wenn er „die Zielsetzungen ihrer Partei sehr weitgehend nicht teile“. Schon bisher sei im Kuratorium auch kontrovers diskutiert worden, aber am Ende habe man sich fast immer geeinigt. Grundlinie der politischen Bildung sei es, in der Gesellschaft umstrittene Themen streitig zu beleuchten; dabei sehe man sich „in einer moderierenden, vermittelnden Rolle“. Der AfD werde die Landeszentrale künftig wie allen anderen Landtagsparteien ein Forum bieten, ihr aber Widerspruch nicht ersparen. Wenn sich etwa ein Mitglied wie der Abgeordnete Gedeon eindeutig judenfeindlich äußere, „dann werden wir das auch so benennen“. „Überparteilichkeit“, betont Lothar Frick, „heißt nicht Meinungslosigkeit.“
Die Landeszentrale für politische Bildung
Die Landeszentrale für politische Bildung wurde im Jahr 1972 gegründet. Sie versteht sich als überparteiliche Einrichtung, die Politik „praktisch und lebensnah vermitteln“ will. Ihr Ziel ist es, das Gedankengut der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu verbreiten und zu festigen. Mit Veranstaltungen, Veröffentlichungen und einem breiten Internetangebot richtet sie sich an alle Bürger.
Kontrolliert wird die LpB von einem Kuratorium mit insgesamt 24 Mitgliedern. Davon werden 17 Vertreter vom Landtag entsandt, je nach Stärke der Fraktionen. Hinzu kommen sieben Sachverständige aus Organisationen, die ebenfalls in der Bildungsarbeit engagiert sind – etwa Volkshochschulen oder Gewerkschaften. Das Kuratorium fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.