Facebook hat in den USA die App „Paper“ eingeführt. Dort werden Nachrichten und andere redaktionelle Beiträge gesammelt. In einem ersten Test überzeugt die Bedienung absolut. Aber mit den Inhalten gibt es noch Probleme.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Papier ist tot, es lebe Paper! So würden es zumindest die Facebook-Produktmanager sagen, die am Montag ihre neueste Kreation unter ebendiesem Namen in dem US-iTunes-Store verfügbar gemacht haben. Wir haben die App getestet.

 

Was also ist die App „Facebook Paper“? Natürlich keine Zeitung. Aber konzeptionell geht Facebook in diese Richtung. Beim ersten Start wird der Nutzer aufgefordert, sich seine Lieblings-Themenkategorien auszusuchen. Genau 20 hat man zur Auswahl, und die Aktivitäten der Facebook-Freunde sind nur eine davon. Unter den anderen finden sich „Headlines“ (Schlagzeilen), „Exposure“ (Fotografie und verwandte Themen), „All City“ (urbanes Leben und Kultur) oder „Pride“ (also Themen, die für Homosexuelle interessant sind).

Nachdem man sich auf diese Weise seine digitale Zeitung zusammengestellt hat, kann man sich – wie von anderen Apps bekannt – leicht durch die einzelnen Kategorien wischen. Man bekommt innerhalb der Kategorien ausschließlich Inhalte zu sehen, die auf Facebook geteilt wurden. Welche Beiträge in Paper angezeigt werden, entscheidet im wesentlichen ein Algorithmus (und laut dem Technik-Portal Techcrunch offenbar auch Menschen).

Kampfansage an Twitter

Wichtiger Unterschied zum normalen Nachrichtenstrom, den Facebook-Nutzer nach ihrer Anmeldung angezeigt bekommen: es tauchen überwiegend Beiträge von großen, institutionalisierten Anbietern auf. Zwar könnte man jeden einzelnen Beitrag auch in der normalen Facebook-Ansicht sehen. Doch Paper soll nicht nur bereits bestehende Inhalte bündeln. Facebook will, nachdem es für viele die erste Anlaufstelle im Netz für Neues aus dem Freundeskreis ist, jetzt auch der Platzhirsch in Sachen Online-Content werden. Daher ist die Einführung der Paper-App nicht nur gegen ganz ähnliche Apps wie Flipboard gerichtet, und sie ärgert nicht nur die Macher der ebenfalls „Paper“ getauften App, die 2012 zu iPad-App des Jahres gewählt wurde.

Facebooks Paper-App ist auch, vielleicht sogar vorrangig gegen Twitter gerichtet. Der Kurznachrichtendienst, der seit Anfang November an der Börse notiert ist, will als Anlaufstelle für aktuelle Nachrichten punkten – und ist damit eine Gefahr für Facebook. Eine, die Facebook jetzt kontert. Pünktlich zum zehnten Geburtstag, den das Unternehmen am Dienstag feierte.

Wischen war gestern, heute ist Schwenken

Paper ist eine in sich geschlossene Nachrichten-Welt, die tatsächlich stark an die derzeit verfügbaren Apps von Tageszeitungsverlagen erinnert. Bemerkenswert ist die Bedienung: Man muss nicht mehr „klicken“, fast alles funktioniert mit dem Smartphone- und Tablet-Nutzern längst bekannten Wischen. Wenn Nachrichtenseiten Links auf Facebook posten, faltet man das Vorschau-Fenster einfach auf – so wie man ein gefaltetes Stück Papier auffalten würde. Außerdem führt das 15-köpfige Entwickler-Team Creative Labs, in dem auch der einst für Apple tätige Designer Mike Matas mitarbeitete, eine völlig neue Bewegung ein: Schwenken.

Die Paper-App ist darauf ausgelegt, Inhalte bildschirmfüllend zu präsentieren. In der fix vorgegebenen Hochformat-Ansicht wären große, querformatige Fotos ein Problem. Also zeigt die Paper-App in diesem Fall nur einen Ausschnitt des Bilds; indem man das Smartphone oder Tablet nach links oder recht schwenkt, kann man den Blick sozusagen digital schweifen lassen. Eine Zoom-Funktion wäre die Alternative gewesen, ist durch die neue Schwenken-Funktion aber überflüssig.

Was die Bedienung angeht, ist Facebook ein echtes Meisterwerk gelungen, das möglicherweise viele andere Apps beeinflussen wird – wenn Paper angenommen wird. Man darf sich schon jetzt auf weitere Produkte des Entwickler-Teams freuen.

Zu geringe Auflösung

Bei den Inhalten kann die App noch nicht ganz überzeugen. Das liegt nicht daran, dass sie bisher nur für US-amerikanische Nutzer von Apple-Produkten verfügbar ist und die Inhalte auf ein US-Publikum zugeschnitten sind. Vielmehr zeigt sich gerade auf dem iPad ein Problem mit der Auflösung von Vorschau-Bildern zu geteilten Links: Die Paper-App zieht sich aus den Facebook-Inhalten einfach das kleine Vorschau-Foto, das im herkömmlichen News Feed neben der Überschrift angezeigt wird. Die Auflösung dieser Bilder ist aber zu klein; in der Paper-App erscheinen derzeit folglich sehr viele Fotos in zu geringer Auflösung. Einzelne Pixel erkennen zu können, trägt jedoch nicht gerade zum Lesevergnügen bei.

Inwiefern der Nachrichten-Algorithmus der Paper-App wirklich die wichtigsten Beiträge aus dem Onlinenetzwerk zusammenstellt, muss sich erst noch zeigen. Der erste Eindruck zu Facebook Paper: Same same, but different.

Deutsche Nutzer können sich die App in wenigen Schritten ebenfalls schon herunterladen. Eine Anleitung dazu findet sich zum Beispiel bei The Next Web.