Wie sich Omar Sharif in die beliebte Samstagskrimi-Reihe verirrt: Die 16. „München Mord“-Episode präsentiert einen Thrillerstoff als vergnügliche Krimikomödie.
Im Präsidium heißen sie bloß die „Kellerasseln“, weil sie ihr Dasein im Untergeschoss fristen, aber vermutlich weiß kaum noch jemand, dass sie überhaupt existieren: Schon allein diese Idee garantiert dem einst von Alexander Adolph und Eva Wehrum geschaffenen Trio aus „München Mord“ ein Alleinstellungsmerkmal. Warum die drei vor rund zehn Jahren aussortiert worden sind, ist längst in Vergessenheit geraten und spielt auch keine Rolle mehr; hin und wieder wird allerdings angedeutet, dass der Chef, Kriminalhauptkommissar Schaller (Alexander Held), psychische Probleme hatte.
Dass die von ihm konsequent „Fräulein Flierl“ genannte Kollegin (Bernadette Heerwagen) trotz ihrer sympathischen Naivität immer noch für die Kripo arbeiten darf, hat sie wohl in erster Linie ihren Onkeln zu verdanken, die hohe Führungspositionen innehaben. In der sechzehnten Episode wanzt sich der karrierefixierte Kriminaloberrat Zangel (Christoph Süß) kräftig an die Mitarbeiterin ran, weil er ihren Oheim als Polizeipräsident beerben will.
Sympathien für den Entführer
Trotzdem speist Zangel die drei auch diesmal wieder mit einer jener Aufgaben ab, auf die sonst niemand Lust hat. Wie sie dennoch abermals in eine spektakuläre Ermittlung geraten, ist clever eingefädelt: Eigentlich sollen Angelika Flierl und Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier) einer Mutter mitteilen, dass die Suche nach ihrem als vermisst gemeldeten Sohn Benno eingestellt wird, denn der Junge ist zwischenzeitlich volljährig geworden und kann nun tun und lassen, wozu er Lust hat. Unversehens geraten die beiden in ein Handgemenge: Mitglieder eines Kampfsportclubs raufen sich mit einem Mann, der angeblich soeben ihren Trainer ermordet hat. Doch der Mann, der sich später Nick (Franz Dinda) nennen wird, beteuert seine Unschuld. Das hindert ihn nicht daran, Flierl während der Vernehmung zu überwältigen, und nun beginnt, was seit einer Geiselnahme vor rund fünfzig Jahren als „Stockholm-Syndrom“ bekannt ist: Die Oberkommissarin entwickelt unübersehbare Sympathien für ihren Entführer. Schon allein dieser Teil der Geschichte birgt genug Stoff für einen fesselnden Krimi, aber Autor Thomas Walendy entwirft ein Szenario, das der Handlung eine ungleich größere Dimension verleiht: Nick gesteht der Polizistin zwar, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein, aber nur als Handlanger. Im Hintergrund geht es um einen Überfall auf eine Bundeswehrkaserne, bei der Dutzende Waffen gestohlen worden sind.
Jan Fehse inszeniert mit gewohnter Leichtigkeit
Daraus hätte ein Thriller werden können, aber Jan Fehse hat seinen sechsten „München Mord“-Krimi mit gewohnter Leichtigkeit umgesetzt, zumal ihm Walendy viele Vorlagen für heitere Momente liefert. Die originellste Idee ist die Täterbeschreibung: Nick erinnert Flierl mit seinem Oberlippenbart und den markanten Augenbrauen an Doktor Schiwago, den von Omar Sharif verkörperten Arzt aus dem gleichnamigen Klassiker (1965) – eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Dinda versieht den Mann mit einer charismatischen Aura, die offen lässt, ob die Polizistin nicht doch Sympathie für den Teufel empfindet. Fehses Arbeiten sind stets sehenswert. Zuletzt drehte er die Tragikomödie „Geliefert“ (2021, ARD) mit Bjarne Mädel, der für seine Rolle als gestresster Paketbote den Grimme-Preis erhielt.
München Mord: Damit ihr nachts ruhig schlafen könnt: Samstag, 20.15 Uhr, ZDF