Die Suche nach neuen Talenten hat sich stark verändert. Darauf reagiert der VfB Stuttgart und ordnet seinen Scoutingbereich neu. Diese Umstrukturierung wird auch personelle Konsequenzen haben.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Zum Glück hat er schon einen guten Job. Hoch dotiert ist dieser, mit großem Verantwortungsbereich und im Organigramm des VfB Stuttgart so weit oben angesiedelt, dass es auf der sportlichen Ebene niemanden mehr darüber gibt. Sportvorstand nennt sich der Posten, den Robin Dutt seit einem Jahr beim Fußball-Bundesligisten ausfüllt. Und seit einem Jahr bewegt er sich im Spagat: mit einem Bein steht er fest in der Gegenwart, mit sämtlichen Herausforderungen, die das Krisenmanagement im Abstiegskampf erfordert. Mit dem anderen Bein tänzelt Dutt gerne in der Zukunft – mit allen Plänen, die den VfB wieder nach oben führen sollen.

 

Spannend ist das für Robin Dutt – und das ist auch gut so. Denkt sich Dutt. Denn ansonsten müsste er sich ja tatsächlich überlegen, ob er sich auf diese eine Stelle bewerben sollte, die es schon bald bei den Stuttgartern zu besetzen gibt. Reizvoll ist auch diese neue Aufgabe. Verantwortungsvoll sowieso und sogar mit Kompetenzen ausgestattet. Nur über die Dotierung ist man sich noch nicht ganz so klar. Auf jeden Fall sucht der VfB aber jemanden für seinen Scoutingbereich. Jedoch keinen klassischen Chefspäher. „Es ist mehr eine Managementtätigkeit“, sagt Dutt.

Einer wie Reschke soll es sein

Einen Kaderplaner will der VfB noch zusätzlich zu Organisationsmanager Joachim Cast, Dutts rechter Hand, haben. Einen wie Michael Reschke, der das lange bei Bayer Leverkusen erledigt hat. So diskret und erfolgreich komponierte Reschke das Personal, dass ihn der FC Bayern verpflichtet hat und der Pfiffikus der Branche nun das Ensemble der Münchner Meisterkicker zusammenstellt. In Leverkusen hat Jonas Boldt diesen anspruchsvollen Job übernommen, und ein junger, aufstrebender Typ wie der frühere Assistent von Bayer-Sportdirektor Rudi Völler und eben Reschke schwebt Dutt auch für Stuttgart vor.

Schwer wird dieser neue Mann zu finden sein. Das weiß auch der VfB-Sportchef, der die Position des Kaderplaners aus seiner Trainerzeit in Leverkusen kennt – und der schon länger der Überzeugung ist, dass sich das Sichtungssystem auf dem Wasen nicht mehr auf dem aktuellsten Stand befindet. „Der Scoutingmarkt hat sich stark verändert“, sagt Dutt. Schneller ist alles geworden, digitaler und nicht mehr so reiselastig – sofern man es nicht will. Denn mit den umfassenden Datenbanken und modernen Scoutingtools lassen sich die Spielerprofile samt Höhepunktszenen am Schreibtisch erstellen. Selbst wenn es sich um ein Talent aus der zweiten japanischen Liga handelt.

Es gibt weltweit wohl keinen begabten Spieler mehr, dessen Fähigkeiten nicht in irgendeinem Computer in Daten und bewegten Bildern abgespeichert sind. Und da der Faktor Geld bei der Fahndung nach Verstärkungen nicht zu ignorieren ist, geht es darum, das Scouting effizient zu gestalten. Klare Vorgaben, die sich an der Spielkonzeption orientieren, will Dutt deshalb machen, und kurze Entscheidungswege will er haben, um im Fall der Fälle gut vorbereitet zugreifen zu können.

Ein großer Umbau

Doch dieser Umbau bleibt beim VfB nicht ohne personelle Konsequenzen. Bisher hatte Ralf Becker den Posten des Chefscouts inne. Der Ex-Profi, der auch schon Jugendchef war, hätte sich gerne in der Rolle des Kaderplaners gesehen – nur Dutt sah ihn dort eben nicht. Weshalb die Zusammenarbeit demnächst endet. Voraussichtlich Ende dieser Woche und vermutlich einvernehmlich. Aber darum kümmern sich gerade die Anwälte auf beiden Seiten.

Gestört ist das Vertrauensverhältnis zwischen Dutt und Becker wohl schon länger gewesen – obwohl der Sportvorstand den 45-Jährigen gegen internen Widerstand im vergangenen Sommer im Amt hielt. Dutt wollte allen Scouting-Mitarbeitern eine Chance geben, hören, wie sie ticken, und sehen, wie sie arbeiten. Jeweils zwei Tage lang war der Manager mit den Spähern unterwegs: mit Ralf Becker in Italien, mit Ben Manga in Spanien, mit Herbert Maron in Skandinavien und mit Alexander Schmidt in Tschechien. „Wir haben sehr gute Leute“, sagt Dutt, „und der Großteil wird weiter für uns tätig sein.“

Erwin Hadewicz, der altgediente Scout, der unzählige Kilometer im Balkangebiet heruntergerissen hat, wird dann wohl nicht mehr die Augen für den VfB offen halten. Der 64-Jährige geht bald in Rente, und Markus Lösch wird mehr im administrativen Bereich tätig sein. Gesteuert wird das künftige Sichtungssystem aber vom neuen Mann, den Dutt nicht nur als Marktkenner betrachtet, sondern als jemanden, der die begehrten Spieler über Jahre begleitet und früh emotional bindet, den Kontakt mit den Beratern hält und sogar verhandelt. Im Idealfall kommt Dutt dann erst ins Spiel, wenn es um letzte Details geht und ansonsten nur noch seine Unterschrift für den Transfer fehlt. Eine große Aufgabe wird das – und auch eine große Vertrauensfrage.