Bei der Personalrochade in der Landtags-CDU sollten endlich die Frauen zum Zug kommen. Doch die Erwartung ging fehl. Spitzenkandidat Wolf wurde zum Fraktionschef gewählt, bei der Nominierung des Landtagspräsidenten gab es allerdings eine Überraschung.

Stuttgart - Auf die Sitzung der CDU-Fraktion richteten sich am Dienstag die Karrierehoffnungen nicht weniger Abgeordneter mit dem schwarzen Parteibuch. Nicht der Wahl des Fraktionsvorsitzenden wegen; da gab es für die Parlamentarier mit einer Ausnahme nichts zu holen. Peter Hauk, seit dem Jahr 2010 an der Spitze der Landtags-CDU, war ja nur deshalb – widerwillig – zurückgetreten, um dem frisch gekürten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Guido Wolf Platz zu machen. Der wiederum hatte sein Amt als Landtagspräsident niedergelegt. Und genau darauf richteten sich die Ambitionen etlicher Abgeordneter. Schon seit Tagen – nein, Wochen – war intern spekuliert und diskutiert, sondiert und desavouiert, charmiert und antichambriert worden.

 

Dienstwagen, Chauffeur, Redenschreiber

Man darf sich das Dasein als Parlamentspräsident als ein glückliches vorstellen. Den Niederungen der Politik enthoben, entfaltet der Präsident eine würdevolle Existenz, die in Zeiten des triumphierenden Individualismus auch von gelegentlichen, wohl temperierten Gefühlsbekundungen durchbrochen werden darf. Der Landtagspräsident respektive die Landratspräsidentin verfügt über einen eigenen Mitarbeiterstab, einen geräumigen Dienstwagen samt Chauffeur sowie ein auskömmliches Einkommen. Die Reden, die er in stattlicher Zahl hält, bekommt er aufgeschrieben. Liest er sie müde ab, so gilt dies als Normalfall, spricht er gehaltvoll und in der Darbietung engagiert, ist ihm (respektive ihr) Respekt sicher. Außerdem obliegt dem Parlamentspräsidenten die Leitung der Plenarsitzungen; bei Unsicherheiten bezüglich der Geschäftsordnung ist der Landtagsdirektor hilfreich zur Stelle.Kein Wunder also, dass die Zahl der Interessen groß war. Nicht wenige in der Partei präferierten eine Frau an der Spitze des Parlaments, jetzt, da die CDU für die Landtagswahl mit Guido Wolf erneut einen männlichen Spitzenkandidaten aufbietet. Keine Frau wie Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz, die der CDU nach Jahrzehnten der Machtvergessenheit neue Hoffnung auf die Rückkehr an die Landesregierung gegeben hat. Aber zurück nach Stuttgart. Für den Job des Parlamentspräsidenten in Stuttgart wurden die frühere Sozialministerin Monika Stolz und Ex-Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch genannt. Aber auch die Männer blieben nicht tatenlos. Wilfried Klenk, ein Sozialpolitiker, zeigte sich zur Kandidatur geneigt, bewährte Kräfte wie die Ex-Minister Gerhard Stratthaus, Willi Stächele und Wolfgang Reinhart gelten als immer für eine Überraschung gut. Doch zuerst war Wolf dran. Seine Wahl zum Fraktionschef ging reibungslos über die Bühne. 52 der 60 CDU-Abgeordneten votierten für ihn. Das war – gemessen an den Fraktionsvorstandswahlen seit der Jahrtausendwende – ein gutes Ergebnis. Dafür, dass Wolf gerade erst zum Spitzenkandidaten ausgerufen worden war, vielleicht nicht ganz so toll. Doch der 53-Jähre zeigte sich zufrieden und bewertete seine Wahl als Beweis der Geschlossenheit. Wendungen wie „verschworene Gemeinschaft“, „gemeinsames Projekt Landtagswahl“ oder „Perspektive 2016“ gingen ihm flüssig über die Lippen. „Ich bin der neue Oppositionsführer und will den Ministerpräsidenten und die Landesregierung stellen“, sagte er.

Ein freundliches Gesicht

Nicht ganz so geschlossen vollzog sich die Wahl von Guido Wolfs Vorgänger Peter Hauk zum Ersten stellvertretenden Fraktionschef. Dieser Posten war eigens für Hauk geschaffen worden – als Trostpflaster für seinen Rückzug. Er erhielt 40 von 59 abgegebenen Stimmen. Auch die Kandidaturen für das Präsidentenamt mussten noch geordnet werden. Nach einer Sitzungsunterbrechung und informellen Besprechungen blieben zwei Kandidaten übrig: Friedlinde Gurr-Hirsch und Wilfried Klenk aus dem Wahlkreis Backnang. Klenk setzte sich überraschend deutlich durch. Er erhielt 38 Stimmen – nicht zuletzt dank seiner als stark empfundenen Bewerbungsrede. Auf die frühere Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch entfielen 20 Stimmen, dazu kam eine Enthaltung.

„Ich möchte dem Parlament ein freundliches Gesicht geben“, sagte Klenk (55) nach seiner Wahl. Der neue Fraktionschef Wolf vermutete, der „Wille zur Erneuerung“ habe möglicherweise den Ausschlag zugunsten des ausgebildeten Rettungssanitäters gegeben. Klenk hatte unter dem früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus kein Regierungsamt inne. Er muss nun bei den anderen Fraktionen für seine Wahl im Parlament werben. Als stärkster Fraktion steht der CDU das Vorschlagsrecht zu.