Für seine neue, offenere Personalpolitik erntet Justizminister Guido Wolf (CDU) viel Lob. Doch beim Plan, den bisherigen Personalchef im Ministerium zum Landgerichtspräsidenten zu machen, stößt er auf Widerstände.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Für seine Personalpolitik erntet Guido Wolf (CDU) in der Justiz viel Anerkennung. Zu Ende gingen die Zeiten, da ein kleiner Kreis von konservativ-liberalen Strippenziehern unter sich ausmachte, wer welchen Posten bekommen sollte, wird allseits dankbar registriert. Anders als sein Vorgänger Rainer Stickelberger (SPD), der dies zu Oppositionszeiten noch öfter kritisiert hatte und sich dann doch damit arrangierte, breche der neue Ressortchef die Strukturen wirklich auf.

 

Sichtbar werde das an Personalentscheidungen in der Justiz, aber auch im Ministerium selbst. Beim Amtsgericht Mannheim etwa kam als Präsident nicht jener Aspirant zum Zuge, dem die Stelle eigentlich zugedacht war, sondern eine Frau. Diesmal sei es der fürs Personal zuständigen Fachabteilung nicht gelungen, den Minister in ihrem Sinne zu steuern, konstatierten Justiz-Insider zufrieden. Bewegung gab es auch bei den Ministerialen selbst. Die Vizeleiterin der Abteilung wurde zur Chefin des Landesjustizprüfungsamts befördert – wegbefördert, wie es prompt hieß. Ebenso wie der Abteilungschef Andreas Singer gehörte sie zu jenen liberalen Juristen, die noch unter dem FDP-Minister Ulrich Goll Karriere gemacht hatten.

Die graue Eminenz und ihr Ziehsohn

Kurz vor der Abwahl aus der Regierung im Jahr 2011 hatte Goll den fachlich hochgelobten, wegen seines Führungsstils aber umstrittenen Beamten installiert. Die Opposition schäumte, auch Stickelberger wetterte über den Versuch, „die eigenen Leute noch rechtzeitig unterzubringen“. Doch als der Genosse das Ressort übernahm, ließ er den nur abgeordneten Singer auf seinem Posten – zur Zufriedenheit auch von dessen Förderer Eberhard Stilz (CDU), einst Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart und bis heute Chef des Verfassungsgerichtshofs. In der Südwestjustiz gilt Stilz als graue Eminenz, sein Einfluss wurde hinter mancher Personalie vermutet.

Nun aber soll (und will) auch sein „Ziehsohn“ Singer das Ministerium verlassen. Sein Ziel ist der Präsidentenposten beim Landgericht Stuttgart, der seit der Beförderung von Cornelia Horz zur OLG-Chefin vakant ist. Die Stelle wurde ausgeschrieben, vier Bewerber meldeten sich – nebst dem Abteilungsleiter drei Gerichtspräsidenten. Als schärfster Konkurrent Singers gilt der Präsident des Landgerichts Tübingen, Reiner Frey. Entscheidend ist die Bewertung, die für Singer vom Ministerium und für die drei anderen von der OLG-Chefin verfasst wird. Dabei liegt Singer nach Informationen unserer Zeitung knapp vor Frey – mit der Folge, dass das Ministerium ihn vorgeschlagen hat.

Chef des Präsidialrats ist selbst im Rennen

Doch so gerne viele Justizangehörige Singer als Abteilungsleiter gehen sähen, so kritisch betrachten sie seinen geplanten Umstieg ans Landgericht. Es sei wohl kein Zufall, wird gemutmaßt, dass die Stelle erst wenige Tage nach Horz’ Wechsel ans OLG ausgeschrieben wurde. So habe man vermieden, dass noch der frühere OLG-Chef Franz Steinle – dem Vernehmen nach nicht der größte Singer-Fan – die Bewertung schreibe. Offiziell findet die Übergabe von Steinle an Horz am 2. Februar statt.

Am Zug ist nun der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit, ein Mitbestimmungsorgan, das sich an diesem Donnerstag mit der Personalie beschäftigen soll. Kenner halten es für gut möglich, dass sich das Gremium querlegt und Wolf ausbremst – wie einst, als es letztlich den Kandidaten von Stickelberger fürs OLG Karlsruhe verhinderte. Was die Sache besonders heikel macht: Vorsitzender des Präsidialrats ist derzeit just der zweitplatzierte Bewerber Frey. Daher wird fest erwartet, dass er sich als befangen erklärt. Auch Freys Stellvertreter könnte Anlass dazu haben: Er soll dem Favoriten Singer freundschaftlich verbunden sein.

Statt „System Stilz“ ein „System Singer“?

Plädiert der Präsidialrat wie im Fall Karlsruhe für einen anderen Kandidaten, käme es zu einer offenen Kraftprobe zwischen Justizminister und Richterschaft. Dann gäbe es erst ein Einigungsgespräch, bei weiterer Uneinigkeit müsste der Richterwahlausschuss entscheiden. Gewinner in Karlsruhe war übrigens der damalige Chef des Präsidialrats. Eine ähnliche Abfuhr wie einst für Stickelberger wäre für Wolf sicher ärgerlich – zumal er in der Justiz eigentlich hohes Ansehen genießt. Offiziell gibt sein Sprecher nur dürre Auskünfte zum Besetzungsverfahren.

Hinter dem Widerstand gegen Singer steht auch die Sorge, er solle in einigen Jahren an die Spitze des OLG aufrücken; dann werde das „System Stilz“ einfach durch ein „System Singer“ ersetzt. Natürlich habe der Landgerichtschef dabei eine gute Startposition, heißt es justizintern, aber einen Automatismus gebe es nicht. Auch die Zeit der grauen Eminenz neigt sich ihrem Ende entgegen: als Präsident des Landesverfassungsgerichts ist Eberhard Stilz noch bis Juli 2018 gewählt. Den Nachfolger darf übrigens die CDU vorschlagen.