Anfang 2020 soll im Hospitalviertel durch die Sanierung des Synagogenvorplatzes so etwas wie ein Schlussstein gesetzt werden. Mit der Sanierung verbinden die Stadt, die Israelitische Gemeinschaft und der Hospitalviertelverein große Erwartungen.

Stuttgart - Bald tritt die Stuttgarter Synagoge aus ihrem Schattendasein. Die Arbeiten am Vorplatz in der Hospitalstraße stehen vor dem Abschluss. Durch die Neugestaltung soll die städtebauliche Komponente der von Ernst Guggenheimer in den Jahren 1951 und 1952 erbaute Synagoge wieder stärker als bisher in Erscheinung treten. Doch das ist nur die eine Seite. Eine weitere liegt Stadtplaner Martin Holch am Herzen. Aus seiner Sicht ist damit ein weiterer Baustein für eine Art interreligiöses Zentrum im Hospitalviertel gelegt: „Das Besondere an dieser Baumaßnahme ist, dass hier eine wahrnehmbare Achse zwischen dem christlichen Zentrum des Hospitalviertels und dem jüdischen entsteht. Das ist eine unglaublich wertvolle Geste. Und wenn irgendwann auch ein islamisches Gebetszentrum kommt, trinke ich ein Glas Champagner.“

 

Holch kann sich jedoch Zeit lassen, um den Schampus kalt zu stellen. Bis die Korken endgültig knallen, dürften noch einige Jahre ins Land ziehen. Während sich das übrige Hospitalviertel zu einem Vorzeige-Quartier entwickelt hat, hinkt die Ecke Hospital-/Firnhaberstraße hinterher. Und zwar aus einem einzigen Grund, der gegenüber der Synagoge liegt.

Alles wartet auf die GWG

Gemeint ist das Gebäude der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg AG (GWG) in der Hospitalstraße 33. Lange Zeit war nur klar, dass es abgerissen wird. Einen genauen Zeitplan kannte keiner. Und weder die Stadt noch die Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) wollten mit ihren Baumaßnahmen in die Vollen gehen. „Es hat keinen Sinn vorher anzufangen, daher haben wir unsere Maßnahmen zurückgestellt“, sagt Martin Holch. Alles wartete gewissermaßen auf die GWG, die auf Anfrage einen Zeitplan bekannt gab. „Der Bauantrag wurde Mitte Dezember 2017 eingereicht. Die GWG-Gruppe rechnet Mitte des Jahres 2018 mit der Baugenehmigung. Und nach Erhalt der Baugenehmigung wird anschließend mit dem Bau begonnen“, sagt GWG-Sprecher Marc-Daniel Grözinger. Für Holch, den Leiter der Abteilung Stadtsanierung, bedeutet das: Der ganz große Wurf im Hospitalviertel „wird nicht vor Ende 2019 fertig“. Mit einer endgültigen Fertigstellung wird Anfang 2020 gerechnet.

Mit dem großen Wurf ist eine Erweiterung der bisherigen Sanierungspläne gemeint. Im ursprünglichen Gestaltungskonzept der Stadt sollte die Aufwertung und Angleichung an das bereits sanierte Viertel nur von der Fritz-Elsass- bis zur Lange Straße gehen. Doch nach den neuen Plänen ist eine Erweiterung bis zur Gymnasiumstraße vorgesehen. Kosten: eine Million Euro.

Vandalismus durch Party-Volk

Dann gilt, was auch in großen Teilen des Hospitalviertels gilt. Nämlich eine „bessere Aufenthaltsqualität“, wie es Martin Holch beschreibt. Geschaffen wird die nach dem bisherigen Muster: Autos sollen nur noch Randerscheinungen im Viertel sein, die Gehwege werden auf mindestens zweieinhalb Meter Breite ausgelegt und mindestens acht Bäume sollen gepflanzt werden. Damit dürfte ein großer Teil des Parksuchverkehrs aus der Theo wegfallen. Bisher sorgten Party-Gäste nicht nur mit ihren Autos für Verdruss im Hospitalviertel, einige hätten sich auch direkt neben der Hospitalstraße 36, der offiziellen Adresse von Synagoge und Gemeindezentrum mit Grundschule und Kindertagesstätte, erleichtert. Zudem wird berichtet, dass im Abgang zur Tiefgarage auch schon Vergewaltigungen versucht worden seien.

Nicht nur aus diesem Grund hat die Sanierung des Synagogen-Vorplatzes und der Hospitalstraße für den Verein Forum Hospitalviertel eine „überragende Bedeutung“, wie Geschäftsführerin Silvia Korkmaz sagt: „Es ist so etwas wie ein Schlussstein eines großen Baus.“ Vereinsvorstand Eberhard Schwarz ergänzt: „Das Sanierungsgebiet Hospitalviertel ist damit in seine letzte Etappe gekommen.“

Auch für die Israelitische Religionsgemeinschaft ist die Aufwertung ein Meilenstein. Die IRGW verbindet mit Sanierung mehrere Ziele. Zum einen soll der Komplex aus Betraum, Gemeindezentrum und Sitz des Landesrabbinats wieder stärker in der bürgerlichen Stadtgesellschaft wahrnehmbar sein, wie Susanne Jakubowski, Architektin und Vorsitzende der Baukommission, sagt: „Bisher nahm man den Davidstern allenfalls in der Nacht wahr, weil er beleuchtet ist. Nun soll der ganze Platz den Fokus auf die Synagoge richten.“

Andererseits soll der Platz auch gut gesichert sein. Eine Mauer wird den Vorplatz schützen. Die Einfahrt zur Tiefgarage wird mit einem Tor auf Straßenebene gesichert. Der wieder auflammende Antisemitismus in Europa sowie Erschütterung durch die Terrorakte in Paris, Brüssel und Kopenhagen haben laut Susanne Jakubowski Auswirkung auf die Gestaltung des Synagogenvorplatzes gehabt. Die Stuttgarter Synagoge war bis zum Neubau der Ulmer Synagoge im Jahre 2012 das einzige jüdische Gebetshaus in Württemberg, das nach 1945 neu entstanden war. Sie wurde auf den Grundmauern des Vorgängerbaus errichtet.