Das Ansehen der Realschule in der Wirtschaft ist hoch. Doch jetzt will die Landesregierung den Realschulen ein neues Konzept andienen. Sie sollen auch den Hauptschulabschluss anbieten. Das ist bei Interessensvertretern unumstritten.

Stuttgart - Das Ansehen des Realschulabschlusses in der Wirtschaft ist unverändert hoch. Das wurde bei der Anhörung des Schulausschusses zur geplanten Gesetzesänderung im Landtag deutlich. Vertreter der Wirtschaft lobten, dass man mit den bisherigen Absolventen in der dualen Ausbildung sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Andererseits bilden die Realschulen quasi die Mittelstufe der in Baden-Württemberg höchst beliebten beruflichen Gymnasien und damit das Fundament für einen Weg zum Abitur in neun Jahren. Sechs Jahre Realschule und drei Jahre berufliches Gymnasium werteten diverse Redner als die Alternative zu G8 an allgemein bildenden Gymnasien.

 

Der mittlere Abschluss soll die Regel bleiben. Die Änderung des Schulgesetzes zielt jedoch darauf ab, dass Schüler, die die Mittlere Reife nicht erreichen können, an den Realschulen die Hauptschulprüfung ablegen können. Die Notwendigkeit ist unbestritten. Immer mehr Kinder mit Hauptschulempfehlung wechseln inzwischen an die Realschule. Doro Moritz, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wies darauf hin, dass im aktuellen Schuljahr 7500 Fünftklässler mit Hauptschulempfehlung an die Realschulen gekommen seien – so viele wie an die Hauptschulen selbst.

Streit um das pädagogische Prinzip

Strittig ist aber, wie diese Kinder an der Realschule optimal gefördert werden. Die Landesregierung sieht in den Klassen fünf und sechs eine Orientierungsstufe ohne Versetzung und ohne Noten vor. Im Anschluss sollen die Kinder auf die unterschiedlichen Abschlüsse vorbereitet werden, allerdings setzt die grün-rote Koalition auf individuelle Förderung, nicht auf Trennung in unterschiedliche Kurse.

Das konnten die Interessensvertreter gar nicht nachvollziehen. Die Realschule habe doch in Jahrzehnten bewiesen, dass sie mit unterschiedlichen Schülergruppen pädagogisch erfolgreich umgehen könne, sagte etwa Martin Frädrich, der Bildungsexperte der IHK Region Stuttgart. Warum also sollte die Politik den Realschulen plötzlich die Pädagogik vorschreiben?

Andere Befürchtungen richten sich auf die Gruppe der Schüler, die mit einer Gymnasialempfehlung an die Realschule kommen – immerhin mehr 21 Prozent. Keinesfalls dürften die Veränderungen zu einem Qualitätsverlust führen, die Realschulen sollten nicht gegenüber den Gemeinschaftsschulen ins Hintertreffen geraten, warnten Vertreter von Kommunen, der Wirtschaft und von Lehrer- und Elternverbänden. Sie fordern, dass Realschulen gleich ausgestattet und finanziert werden wie Gemeinschaftsschulen. „Wir erwarten dass das eigenständige Profil der Realschulen erhalten bleibt“, erläuterte Johannes Krumme für die Arbeitgeber im Land.

Mogelpackungen und Zwangsumwandlungen

Heftige Kritik an dem Gesetzentwurf kam vom Realschullehrerverband. Dessen Vorsitzende Irmtrud Dethleffs-Niess bezeichnete ihn als Mogelpackung: „Die Realschule wird weiter und erneut zum Sparmodell“. Die Schulart brauche mehr Förderung. Es müsse im Ermessen der Schule liegen, wie unterrichtet werde. Für Herbert Huber vom Berufsschullehrerverband ist das politische Ziel des Gesetzes, „die Realschule in eine Gemeinschaftsschule zwangsumzuwandeln“. Der Städtetag würde das nicht begrüßen: „Realschulen sollten nicht zu Gemeinschaftsschulen ohne Gymnasialniveau werden“, sagte dessen Bildungsdezernent Norbert Brugger, „vielmehr eine positive Konkurrenz“.