Neues Siegel für Stuttgarter Betriebe Wie Wein zur Touristenattraktion wird

Teil der Weinprobe beim Collegium Wirtemberg: Alpakas vor der Grabkapelle Foto: COllegium Wirtemberg

Ein Besuch auf dem Weingut wird immer mehr zum Erlebnis. Geocaching und Bollerwagen, Streichelzoo und Wanderungen: Die Wengerter bieten schon viel mehr als nur ihre Tropfen. Die Tourismusvermarkter wollen das Angebot ausbauen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Nicht nur über badischem Wein lacht die Sonne: Weinsüden nennen die Tourismusvermarkter gleich das ganze Land, um mehr Urlauber anzuziehen. In Stuttgart und Esslingen sind jetzt vier Betriebe mit dem neuen Titel „Weinsüden Winzer“ ausgezeichnet worden, 40 sind es in Württemberg. Das Collegium Wirtemberg, die Weinmanufaktur Untertürkheim, das Weingut Zaiß und das Esslinger Teamwerk zählen dazu. Sie bieten mehr als nur ihren Wein an. „Weinbau hat großes, touristisches Potenzial“, erklärt Andrea Gehrlach von der städtischen Gesellschaft Stuttgart-Marketing. Laut einer Studie der Fachhochschule Geisenheim ist das Thema Weintourismus in Deutschland auch noch nicht ausgeschöpft. Die Weinbetriebe fordern allerdings mehr Unterstützung.

 

Erst die Wilhelma, dann die Automuseen, immer öfter auch Wein

In Stuttgart wollen die Touristen in erster Linie die Wilhelma besuchen. Und nach dem Zoo schauen sie sich meist die Automuseen an. „Aber immer öfter kommt auch das Thema Wein auf“, sagt Andrea Gehrlach. Laut der Studie aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 war der Anteil der Weintouristen unter den Besuchern in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen deutschen Anbaugebieten allerdings mit 11,4 Prozent am zweitniedrigsten. Dabei arbeitet Stuttgart Marketing seit 20 Jahren daran: Startschuss war der erste Weinwanderweg, der auf Initiative des Wengerters Konrad Zaiß angelegt wurde. Mittlerweile gibt es fünf Routen über fast 40 Kilometer durch die Stadt. Das 2018 umgebaute Uhlbacher Weinbaumuseum zählt Andrea Gehrlach ebenso als touristisches Angebot auf wie die Weinerlebnisführer, die Verkostung „Stuttgarts beste Weine“ oder die Weintour mit dem Elektrobus. Wein nennt sie „einen angenehmen Soft-Faktor“ für das Reiseziel Stuttgart.

Zu „Weinsüden Winzer“ wurden die vier Betriebe, weil sie „nicht nur guten Wein machen, sondern auch Veranstaltungen“, erklärte die Tourismusfachfrau. Im Obertürkheimer Weingut Zaiß ist beispielsweise Geocaching der neue Hit. Allein im Oktober wurden 25 Touren gebucht. Die Teams kämen aus ganz Deutschland angereist, viele Firmen seien darunter, berichtet Sonja Zaiß. Auf der aussichtsreichen Tour durch die Weinberge und an der Grabkapelle vorbei müssen die Teilnehmer Quizfragen beantworten und Weinverstecke finden. „Das ist eine ganz tolle Sache“, findet sie. Denn die Veranstaltung sei ein Selbstläufer, weil sie von dem Anbieter Frohnatur organisiert wird, gleichzeitig komme sie mit den Gruppen im Weingut ins Gespräch.

Ein Streichelzoo vor der Weinprobe

Das Collegium Wirtemberg versucht sich am 28. Oktober als Konzertveranstalter: Der britische Sänger Chris Green tritt mit Klavierbegleitung im Uhlbacher Gewölbekeller auf. Die Themenweinprobe Finissimo, die sich am 20. Oktober dem Tanz widmet, zählt der neue Geschäftsführer Philipp Kollmar als weiteres Beispiel auf sowie die Weinmeile im August, bei der mitten in den Weinbergen gegessen und getrunken wird. Ebenfalls ein Renner ist die Kombination aus Alpaka und Wein: Erst gehen die Teilnehmer mit den Tieren spazieren, dann probieren sie Wein. „Für uns ist der Sommer wichtig, weil die Leute auf unsere Terrasse von der Rotenberger Kelter wollen“, erklärt der Collegium-Chef. Ein Problem ist allerdings, dass es an der Konzession für eine gastronomische Bewirtschaftung fehlt. Mehr Unterstützung von der Stadt fordert er deshalb, damit die Winzer solche Chancen nutzen können. Veranstaltungen seien „ein wichtiger Bestandteil, um die Zukunft der Betriebe sicher stellen zu können“, sagt Philipp Kollmar.

Geführte Weinwanderungen, Comedy zur Weinprobe oder jetzt im Herbst „Neuer Wein & Zwiebelkuchen“ sind die Angebote, die das Esslinger Teamwerk in der Mettinger Kelter macht. Ihr Veranstaltungsraum Wein-Sicht sei zwar etwas außerhalb gelegen, dennoch werde er gut angenommen. Viele US-amerikanische Gäste und viele Radfahrer seien unter den Besuchern, berichtet Ramona Fischer, die Geschäftsführerin der Weingärtner. „Es läuft super“, sagt sie über das Programm. Auch die Wein- und Sektbar in der Vinothek am Esslinger Marktplatz sei sehr frequentiert. Als Hype beschreibt sie die Nachfrage nach dem neuen Picknick: Im Bollerwagen oder im Rucksack werden Weine und Vesper verpackt, die für Geburtstage, Junggesellenabschiede oder Ausflüge gebucht werden können. „So erarbeitet man sich neue Zielgruppen“, sagt sie.

Die Weinmanufaktur bekennt sich zu Stuttgart

Wanderungen mit dem Weinerlebnisführer in den Sonnenuntergang oder durch winterliche Weinberge hat die Weinmanufaktur Untertürkheim im Programm. Von Herbst bis zum Frühjahr finden in der Weinmanufaktur die wichtigsten Veranstaltungen statt. Saskia Wörthwein nennt die Weinproben „klein und fein“ mit und ohne Essen als Beispiel, den Weinwandertag in Obertürkheim, den Manufakturtag am 22. Oktober mit Kellerführungen und offenen Weinproben. „Wir entwickeln uns gerade weiter“, sagt die Geschäftsführerin der Genossenschaft. Das Ziel ist es, jüngere und überregionale Kunden zu gewinnen. Und diese Weiterentwicklung drückt sich in einem neuen Namen aus: Aus der Weinmanufaktur Untertürkheim wird die Weinmanufaktur Stuttgart.

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