Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Von den Waggons und den Wagenhallen ist es nur ein kurzes Stück Weg über durchlöcherten Asphalt bis in die Nordbahnhofstraße. Da, wo seit Monaten Mietshäuser vom S-21-Bauschutt eingestaubt werden, ist in einem ausgeräumten Laden noch bis Ende Oktober eine Gruppenschau zu sehen: Aurèle Mechler stellt gemeinsam mit anderen Kreativen vom Nordbahnhof aus. Zwischen der Vergangenheit und der Zukunft hat sich die Gegenwartskunst einquartiert. Collagen sind zu sehen, Objets trouvés, und immer wieder geht es um die Umstände des eigenen Schaffens.

 

Mechler lässt ein surreales Gemälde von einem der Nordbahnhof-Waggons von der Decke hängen. Selbstreflexiv? „Ja sicher“, sagt der Künstler, „warum auch nicht?“ Selbst in Mexiko sei er mal auf die Szene am Nordbahnhof angesprochen worden, die sei also offenbar etwas Besonderes. Und wenn Künstler die Fragen ihrer Zeit spiegeln sollen, dann seien sie am Nordbahnhof genau richtig. Soll Stuttgart 21 gebaut werden?, hieß jahrelang die wichtigste Frage. Nun lautet sie: Was wird aus den frei werdenden Flächen, wenn der Bahnhof irgendwann unter der Erde ist? Kommen dann die Großinvestoren? Oder lässt man Platz für die Kreativen?

Einfach mal machen? So leicht ist das in Stuttgart nicht

Neben Aufèle Mechler steht Magali Sureau, 37, gebürtige Stuttgarterin, vor zwei Jahren nach langer Zeit aus dem Ausland zurückgekommen. „Eigentlich ist es so selbstverständlich und so simpel, sich einen Ort zu nehmen und ihn zu gestalten“, sagt sie. Zumindest in Lissabon sei das so.

In Stuttgart ist es ein wenig komplizierter. Am Nordbahnhof ließ man die Künstler machen, weil das verwilderte Areal zwischen den ziemlich runtergekommenen Wagenhallen und dem Kleine-Leute-Viertel entlang der Nordbahnhofstraße als Logistikfläche für Stuttgart 21 vorgesehen war. Jetzt geht es mit dem Großprojekt voran. „Das ganze Nordbahnhof-Ding war nur möglich wegen Stuttgart 21, es war klar, dass das irgendwann auch deshalb wieder vorbei sein wird“, sagt Aurèle Mechler. „So etwas wie den Nordbahnhof wird es in Stuttgart nie mehr geben“, sagt Moritz Finkbeiner. Schummrig ist künftig woanders.