Die Lage in Korea hat das Potenzial zur größten Krise der Gegenwart, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk. Niemand weiß, wie Kim Jong Un auf einen Beschuss durch die USA reagieren würde.

Pjöngjang - n der Mathematik gibt minus mal minus bekanntlich Plus. In der Politik ist das leider nicht der Fall. Mit Kim Jong Un und Donald Trump treffen gerade zwei Querköpfe aufeinander, die beide die Fähigkeit dazu haben, sehr viel Unheil auf der Welt anzurichten. Dass aus dem Schlagabtausch, den sich der nordkoreanische Machthaber und der US-Präsident gerade liefern, etwas Positives entspringt, ist zwar nicht völlig unmöglich, es ist allerdings überaus unwahrscheinlich. Die Krise rund um die koreanische Halbinsel hat jedenfalls das Zeug dazu, alle anderen Konflikte, die die Welt gerade beschäftigen, in den Schatten zu stellen.

 

Nordkorea und die USA schöpfen aus einem reichen Schatz an Erfahrungen, was Beschimpfungen, Drohungen und militärische Muskelspiele angeht. Schon im vergangenen Jahr hat Kim den USA ganz offiziell den Krieg erklärt, die nun erfolgte Androhung eines Atomangriffs ist einerseits nur ein weiterer Schritt in die gleiche Richtung. Allerdings hat es so eine Situation wie im Augenblick noch nie gegeben. Sowohl die nordkoreanische als auch die amerikanische Seite waren in der Vergangenheit mehr oder weniger berechenbar. Die Kim-Familie hat seit nahezu sieben Jahrzehnten die Fäden des Handelns in der Hand. Für alle drei Kims genoss und genießt der Machterhalt höchste Priorität. Und allen US-Präsidenten in dieser Zeit war zuzubilligen, dass sie es nicht zum äußersten kommen lassen wollten. Sprich, dass Nordkorea nicht direkt militärisch angegriffen wird. Das hat sich mit dem Machtwechsel im Weißen Haus geändert.

Trumps Versprechen haben eine kurze Halbwertszeit

Mit seinem Angriff in Syrien hat Donald Trump gezeigt, dass seine außenpolitischen Wahlkampfversprechen, nicht mehr Weltpolizei spielen zu wollen, keine all zu lange Halbwertszeit haben. Nun, da alle Anzeichen darauf hindeuten, dass Nordkorea einen erneuten Atomtest plant, besteht zumindest die Möglichkeit, dass Trump die eiligst in die Region beorderte US-Kriegsmarine zu einem ähnlichen, gezielten Schlag veranlasst, wie in Syrien. Die Lage der nordkoreanischen Raketentestgelände ist größtenteils bekannt, zumindest teilweise liegen sie so abseits, dass bei einem Angriff die Kollateralschäden begrenzbar erscheinen. Niemand weiß, ob Trump so etwas plant. Und niemand weiß, wie Kim darauf reagieren würde. Zu befürchten ist allerdings das Schlimmste.

Die Lage ist völlig anders als bei dem syrischen Diktator Assad, der den US-Luftschlägen nicht wirklich etwas entgegen setzen kann. Kim Jong Un hat die Möglichkeit dazu. Vermutlich können seine Kurzstreckenraketen zwar den amerikanischen Flugzeugträger vor der eigenen Haustüre nicht genau genug anvisieren, um ihm gefährlich zu werden. Vermutlich reicht auch die Reichweite seiner Langstreckenwaffen nicht aus, um US-amerikanisches Territorium zu erreichen. Aber die US-Verbündeten Südkorea und Japan liegen genau im Einzugsbereich der nordkoreanischen Waffen, die dort stationierten US-Verbände ebenso.

Kims Raketen könnnen verheerendes Unheil anrichten

Schon mit konventionellem Sprengstoff gefüllte Raketen aus Pjöngjang können dort verheerendes Unheil anrichten. Daran, was geschieht, wenn Kim seine Raketen mit Atomwaffen bestückt, mag man gar nicht erst denken. Dass sich Südkorea nach dem unrühmlichen Abgang seiner Präsidentin in einer Art Machtvakuum befindet, macht die Zusammenarbeit in der Region nicht gerade einfacher.

Trump fordert von China, es möge den Verbündeten zur Räson bringen. Der Einfluss von China auf das Regime in Pjöngjang ist aber viel geringer, als das vom US-Präsidenten behauptet wird. Peking hat bereits sehr deutlich kund getan, wie sehr ihm das Verhalten Kims missfällt. Völlig fallen lassen können die Strategen in Peking Nordkorea trotzdem nicht. Schließlich ist China gerade dabei, sich in der Region als Schutzmacht für andere Staaten anzudienen. Fehlende Standfestigkeit wäre da eine schlechte Werbung. Verbündete, die den US-Präsidenten zur Räson bringen könnten, sind allerdings ebenfalls nicht in Sicht.