Die 16 Bundesländer wollen in Karlsruhe ein NPD-Verbot beantragen. Aber die Bundesregierung wartet noch ab – die Meinungsbildung laufe noch, sagt die Kanzlerin.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die Regierungschefs der Bundesländer haben am Donnerstag die Weichen gestellt für ein zweites Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD. Bei einem Treffen in Berlin verständigten sich die Ministerpräsidenten einmütig auf einen Verbotsantrag. Dieser soll am Freitag kommender Woche im Bundesrat formell beschlossen werden.

 

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete Verständnis für die Initiative der Länder, will aber erst im kommenden Jahr entscheiden, ob der Bund sich dem Verbotsantrag anschließen wird. „Unsere Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen“, sagte Merkel. Es gebe „einige rechtliche Risiken“. Bei dem von den Sicherheitsbehörden vorgelegten Beweismaterial handele es sich aber um eine „eindrucksvolle Faktensammlung“. Die Kanzlerin betonte: „Wir wollen nicht in ein zu großes Risiko gehen.“ Sie verwies auch auf die bei Parteiverboten sehr restriktive Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dort seien sieben von acht einschlägigen Verfahren gescheitert.

Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (ebenfalls CDU) hatte zuvor eindringlich an den Bund appelliert, sich dem Verbotsantrag anzuschließen. „Es wäre wünschenswert, wenn alle Verfassungsorgane in diese Richtung votieren würden“, sagte Lieberknecht. Es gebe „gute Erfolgsaussichten“, erklärte sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Kanzlerin. Die Beweise gegen die NPD hätten „keinen Bezug zu V-Leuten“. Dies versicherte auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Es gebe „überhaupt keinen Zweifel“ an der Richtigkeit dieser Aussage. Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD war 2003 gescheitert, weil in Karlsruhe der Eindruck entstanden war, die rechtsextreme Partei sei von V-Leuten des Verfassungsschutzes unterwandert und förmlich fremdgesteuert.

Risiken sind nicht geringer geworden, sagt die Justizministerin

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich skeptisch. „Die Risiken sind seit dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens nicht unbedingt geringer geworden“, sagte sie in einem Interview. Durch das Vorpreschen der Ministerpräsidenten sei der Bund jedoch in eine Art „psychologische Falle“ geraten, heißt es in Regierungskreisen. „Wenn alle 16 Länder das wollen, wird die Bundesregierung nicht umhin können, auch einen Antrag zu stellen“, sagte ein Mitarbeiter der Kanzlerin.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bleibt skeptisch. Ein Verbotsverfahren sollte „nur beantragt werden, wenn die Risiken eines erneuten Scheiterns deutlich hinter den Erfolgschancen zurücktreten“. Daran habe er „erhebliche Zweifel“. Ein „großes Risiko“ sieht er ebenso wie Merkel in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Unklar bleibt das Verhalten des Bundestages

Unklar bleibt vorerst, wie sich der Bundestag verhalten wird. Er soll demnächst Einblick in das Beweismaterial der Sicherheitsbehörden erhalten. In den Koalitionsfraktionen wird damit gerechnet, dass die SPD einen Antrag, der sich an jenen der Länder anlehnt, in das Parlament einbringen wird. Union und FDP wollen aber noch abwarten. Die Liberalen hatten schon 2001 als einzige Fraktion des Bundestags den damaligen Verbotsantrag abgelehnt. Auch jetzt herrscht Skepsis vor. Skeptiker gibt es jedoch auch in den Reihen der Union. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sagte zur Initiative der Länder: „Dieser Verbotsantrag ist rechtlich hoch riskant.“

Eine große Mehrheit der Deutschen ist für ein Verbot der NPD. Im neuen Deutschlandtrend der ARD sprachen sich 73 Prozent dafür aus, 22 Prozent waren dagegen.