Der baden-württembergische Landtag interessiert sich für die Vergangenheit der Nachkriegsabgeordneten. Welche Rolle spielten sie im NS-Staat? Für die Aufarbeitung hat die Landeszentrale nicht allzu viel Zeit.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Es ist eine Mammutaufgabe: Die Landeszentrale für politische Bildung durchleuchtet im Auftrag des baden-württembergischen Landtags die Biografien der südwestdeutschen Abgeordneten, die zwischen 1946 und 1956 einem Parlament angehörten. Das beschloss das Präsidium des Landtags am Dienstag förmlich. Ein wissenschaftliche Beirat mit acht namhaften Experten aus Baden-Württemberg hat sich konstituiert. Er soll Vorarbeiten leisten.

 

Der Untersuchungszeitraum betrifft insgesamt 521 Abgeordnete, die den zunächst eigenständigen Volksvertretungen in Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden angehörten sowie dem baden-württembergischen Landtag, der nach der ersten Landtagswahl des 1952 gegründeten Südweststaats zusammentrat.

Das Gutachten soll noch vor der Landtagswahl vorliegen

Die Biografien der Abgeordneten sollen daraufhin untersucht werden, „ob und inwieweit sie sich als Mitglieder der NSDAP sowie der dieser Partei verbundenen Massenorganisationen zu den Zielen der nationalsozialistischen Weltanschauung bekannt und in deren Sinne gewirkt haben“, heißt es in einer Mitteilung des Landtags. Neben der Dokumentation der bloßen Mitgliedschaft solle der Versuch unternommen werden, „wesentliche Teile ihres öffentlichen Wirkens in den Jahren zwischen 1933 und 1945 zu dokumentieren und einzuordnen“. Das Gutachten soll bis zum Herbst 2025 vorliegen, also noch vor der im Frühjahr 2026 stattfindenden Landtagswahl. Erarbeitet werden sollen zudem Handlungsempfehlungen „für den Umgang mit künstlerischen Darstellungen von NS-belasteten Landtagsabgeordneten“ sowie für die entsprechenden Künstler.

Aufgrund der Kürze der Zeit scheint es damit nicht möglich, in diesem Rahmen auch die Biografien von Landtagsabgeordneten zu beleuchten, die 1960 und später in den Landtag gewählt wurden. Ein prominentes Beispiel ist der spätere Ministerpräsident Hans Filbinger.

Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) erklärte zu dem aus dem Landtag heraus initiierten Vorhaben: „Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in allen Bereichen der Gesellschaft und damit auch in den Landesparlamenten ist ein zentraler Baustein unseres Versprechens: Nie wieder!“