Die Festnahme eines 31-jährigen Deutschen unter Spionageverdacht schlägt hohe Wellen. Der BND-Mann soll seit zwei Jahren für US-Geheimdienste gespitzelt haben. Ziel war angeblich auch der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Die Festnahme eines 31-jährigen Deutschen unter Spionageverdacht schlägt hohe Wellen. Der BND-Mann soll seit zwei Jahren für US-Geheimdienste gespitzelt haben. Ziel war angeblich auch der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Berlin - Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA werden durch eine Spionageaffäre aufs Neue schwer belastet: Beim Bundesnachrichtendienst (BND) soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und anderen Medien seit zwei Jahren ein Spion der US-Geheimdienste gearbeitet haben. Offiziell wurde am Freitag nur bestätigt, dass ein 31-jähriger Deutscher unter dem dringenden Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen wurde.

 

Besonders schwer wiegen Vorwürfe, dass der BND-Mann auch geheime Papiere über den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags weitergegeben haben soll. Der Ausschuss ist seit drei Monaten damit beschäftigt, die Aktivitäten der National Security Agency (NSA) auf deutschem Boden aufzuklären. Die NSA-Affäre hatte vergangenes Jahr für schwere Verstimmungen zwischen Berlin und Washington gesorgt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde bereits am Donnerstag über den Spionageverdacht informiert. Offen blieb, ob das Thema bereits bei einem Telefonat der Kanzlerin mit US-Präsident Barack Obama am Donnerstagabend eine Rolle spielte. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete den Fall als „ernsthaft“. Die US-Regierung reagierte am Freitag nur mit den Worten: „Kein Kommentar.“

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung soll der BND-Mann aus dem mittleren Dienst mindestens zwei Jahre lang als „Doppelagent“ aktiv gewesen sein. Das Blatt berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass der 31-Jährige insgesamt 218 BND-Geheimpapiere gestohlen und auf einem USB-Stick gespeichert habe.

Bei drei Treffen mit US-Geheimdienstlern in Österreich soll er insgesamt 25.000 Euro bekommen haben. Unter den verkauften Papieren seien auch mindestens drei Dokumente mit Bezug zum NSA-Ausschuss gewesen. Angeblich erhielt er seine Anweisungen direkt aus der US-Botschaft.

Verdächtiger auch für russischen Geheimdienst tätig?

Die Bundesanwaltschaft hatte den 31-Jährigen schon am Mittwoch festnehmen lassen. Die Behörde nannte aber weiterhin keine Details. Der BND wollte unter Verweis auf „laufende Ermittlungen“ ebenfalls keine Auskunft geben. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Caitlin Hayden, erklärte auf Anfrage der dpa lediglich: „No Comment.“ (Kein Kommentar.)

Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, das die Geheimdienste überwacht, wurde am Donnerstagabend über den Fall unterrichtet. Bei der Sitzung waren auch die Obleute der Fraktionen im NSA-Ausschuss dabei.

Spekuliert wurde auch darüber, ob der Verdächtige für den russischen Geheimdienst tätig war. Nach Informationen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ stand der Mann anfangs unter Verdacht, Kontakt zu den Russen gesucht zu haben. Dann soll er aber gestanden haben, Informationen an einen US-Dienst geliefert zu haben. Die Sicherheitsbehörden hielten es auch für möglich, dass der BND-Angestellte falsche Angaben macht. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte eine rückhaltlose Aufklärung. „Das wäre ein unerhörter Angriff auf die Freiheit des Parlaments und unsere demokratischen Institutionen insgesamt“, sagte Oppermann. „Die USA haben jetzt eine Bringschuld bei der Aufklärung.“

Die Opposition sprach bereits von „einem der größten Spionagefälle in Deutschland“. Der Linke-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi sagte: „Das beweist, dass NSA auch in Deutschland vor nichts zurückschreckt. Wenn die Kanzlerin und die Bundesregierung ihren Druck nicht erhöhen, sondern in ihrem Duckmäusertum verharren, verletzen sie schwerwiegend ihren Amtseid.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte „Spiegel Online“: „Sollte sich der Verdacht geheimdienstlicher Spionagetätigkeit gegen den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss bestätigen, ist das ein Riesendebakel für den BND und die Bundesregierung.“

Die deutschen Sicherheitsbehörden befürchten schon länger, dass der NSA-Ausschuss von ausländischen Diensten bespitzelt wird. An die Obleute wurden besonders gesicherte Handys ausgegeben. Zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Geheimschutzstelle des Bundestags verstärkt.

SPD: Sondersitzung des Geheimdienst-Kontrollgremiums beantragt

Die SPD hat wegen der möglichen Ausspähung des NSA-Untersuchungsausschusses eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beantragt. Man fordere eine Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Sachstand des öffentlich gewordenen Spionagefalls im BND, sagte der SPD-Obmann in dem für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Gremium, Burkhard Lischka, am Freitag in Berlin.

Das Kanzleramt solle erklären, wie es Lücken „im Bereich der Eigensicherung im BND“ zu schließen gedenke, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an den Vorsitzenden des Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU).