Carsten Schultze will aussagen: Der 33-Jährige soll die Ceska-Pistole gekauft haben, mit der neun Menschen erschossen worden sind.

München - Nach dem zähen Beginn könnte es im Münchner NSU-Prozess in dieser Woche spannend werden. Zwei der Angeklagten haben umfassende Aussagen zu den Tatvorwürfen angekündigt. In früheren Vernehmungen durch die Bundesanwaltschaft hatten sich beide Angeklagte weitgehend geständig gezeigt.

 

Im Mittelpunkt der nächsten Prozesstage wird vor allem die Aussage von Carsten Schultze stehen. Dem 33-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in neun Fällen vorgeworfen. Er soll Ende 1999 die Pistole vom Typ Ceska gekauft haben, mit der die verstorbenen mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 2000 und 2006 insgesamt neun Migranten erschossen haben sollen. Schultze hat nach eigenen Aussagen die Waffe samt Schalldämpfer und 50 Schuss Munition in dem Szeneladen „Madley“ in der Jenaer Innenstadt gekauft, sie anschließend nach Chemnitz gebracht und die Lieferung dort in einem Abbruchhaus an Mundlos und Böhnhardt übergeben.

Pistole mit oder ohne Schalldämpfer bestellt?

Allerdings behauptet Schultze bisher, er habe im „Madley“ zuvor nur irgendeine Waffe mit Munition bestellt. Der Schalldämpfer sei sozusagen eine Zugabe des Verkäufers gewesen. Dieser erinnert sich aber anders: Die Bestellung habe eindeutig auf Pistole mit Schalldämpfer gelautet, legte er sich in den Vernehmungen fest.

Für Schultze könnte dies ein entscheidendes Detail sein, das über seine Haftstrafe entscheiden wird. Wenn er eine Waffe mit Schalldämpfer für eine in der Illegalität lebende Gruppe besorgt, muss er davon ausgehen, dass diese für Mordanschläge benutzt werden soll. Damit wäre der Anklagevorwurf der Beihilfe zum Mord erfüllt. Weil Schultze zum Zeitpunkt der Tat 19 Jahre alt war, gilt für ihn Jugendstrafrecht – es drohen ihm zehn Jahre Höchststrafe.

Möglicherweise aber könnte Schultze wegen seines Geständnisses glimpflicher davonkommen – vor allem, weil er mit seinen bisherigen Aussagen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben schwer belastet. Laut Schultze hat der nicht nur die Waffenbeschaffung im „Madley“ in Auftrag gegeben; Wohlleben soll auch nach dem Kauf die Waffe begutachtet und den Schalldämpfer probehalber auf die Ceska aufgeschraubt haben. Indem er Schultze anschließend anwies, die Waffe an das Trio zu übergeben, wäre auch bei ihm der Straftatbestand der Beihilfe erfüllt. Daraus stehen bis zu 15 Jahren Haft.

Mit einem Geständnis von Wohlleben rechnet niemand

Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders hat für einen der nächsten Verhandlungstage eine Erklärung ihres Mandanten angekündigt. Mit einem Geständnis rechnet aber niemand, im Gegenteil: Wohllebens Verteidiger wie wohl auch die von Beate Zschäpe werden alles daran setzen, die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Schultze in Zweifel zu ziehen. Dabei werden ganz sicher auch Gerüchte eine Rolle spielen, wonach Schultze seinerzeit Kontakte zum Verfassungsschutz gehabt haben soll. Diese Gerüchte waren im Jahr 2000 aufgekommen, als sich der damals 20-Jährige plötzlich aus der rechten Szene zurückgezogen hatte und ins Ruhrgebiet gegangen war, um dort Sozialpädagogik zu studieren. Bis dahin hatte Schultze als aktiver Neonazi eng mit Wohlleben zusammengearbeitet.

Der zweite Angeklagte, der umfassend aussagen will, ist Holger Gerlach. Dem 39-Jährigen wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Gerlach hatte bis zu seinem Umzug nach Niedersachsen 1999 zum harten Kern der Jenaer Neonaziszene um Wohlleben gehört. In seinen Vernehmungen gab er zu, sich nach dem Abtauchen des Trios regelmäßig zu „Systemchecks“ mit den drei Flüchtigen getroffen zu haben, weil diese sich mit seiner Identität tarnten. Gerlach hatte dazu Mundlos und Böhnhardt Personaldokumente überlassen.