Ein ehemaliger Verfassungsschützer berichtet im NSU-Prozess detailliert über seine Zusammenarbeit mit dem damaligen Neonazi-Anführer Tino Brandt. Er schildert ihn als kooperativ, zuverlässig - und geldgierig.

Ein ehemaliger Verfassungsschützer berichtet im NSU-Prozess detailliert über seine Zusammenarbeit mit dem damaligen Neonazi-Anführer Tino Brandt. Er schildert ihn als kooperativ, zuverlässig - und geldgierig.

 

München - Im Münchener NSU-Prozess hat ein Ex-Verfassungsschützer den Gründer des Thüringer Heimatschutzes (THS), Tino Brandt, als wichtigen und zuverlässigen Informanten gelobt. Der Spitzenmann der Jenaer Neonazi-Szene, zu der in den 90er Jahren auch die späteren NSU-Terroristen gehörten, sei „unheimlich kooperativ“ gewesen, sagte sein V-Mann-Führer am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht.

Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt, neun an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und einer an einer deutschen Polizistin. Beate Zschäpe ist als Mittäterin bei sämtlichen Taten angeklagt. Ihre mutmaßlichen Komplizen, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, hatten sich im November 2011 erschossen, um der Festnahme durch die Polizei zu entgehen.

Die Anwerbung Brandts schilderte der mittlerweile pensionierte Beamte Norbert W. als Ergebnis eines systematischen Vorgehens. Er habe Flugblätter und Aufrufe zu Demonstrationen ausgewertet, vor allem zu Gedenkdemos für Rudolf Heß Mitte der 90er Jahre, „die politisch für Wirbel gesorgt haben“. Dabei sei er auf den Namen Brandt gestoßen.

Die Anwerbung sei unprobematische verlaufen

Die Anwerbung sei unproblematisch verlaufen. „In erster Linie waren es finanzielle Anreize, die gegeben wurden.“ Geld blieb nach Einschätzung von W. auch bis zum Ende der Zusammenarbeit im Jahr 2001 das entscheidende Motivationsmittel. Brandt habe monatlich zwischen 1200 und 1500 Mark bekommen, dazu habe das Amt ihm Fahrtkosten und Auslagen erstattet. Dafür sei er telefonisch rund um die Uhr erreichbar gewesen und jede Woche zu einem Treffen erschienen. „Für Geld hätte er vermutlich 24 Stunden Dienst gemacht und gearbeitet“, erinnerte sich der Beamte.

Nach dem Abtauchen des Trios Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos habe seine Behörde Brandt gezielt eingesetzt, um den Aufenthalt der drei zu ermitteln. Brandt sei beauftragt worden, die beiden mutmaßlichen Unterstützer Ralf Wohlleben und André Kapke auszuspähen. „Es ging um die Kommunikationswege, die Wohlleben benutzt und wohin er Kontakt sucht oder aufnimmt.“ Darüber habe Brandt aber so gut wie keine Informationen geliefert. Dafür habe er Namen von weiteren Unterstützern gemeldet. Auch die Spur zu dem in München mitangeklagten Holger G. habe Brandt geliefert.

Einen ungewohnten Einblick gewährte der ehemalige Verfassungsschützer in teils riskante, teils pannenreiche Abläufe seiner Behörde. Während der Suche nach dem Trio seien Beamte der Zielfahndung des Landeskriminalamts beim Verfassungsschutz ein- und ausgegangen und hätten sich an vielen Aktionen direkt beteiligt. „Diese Zusammenarbeit hat fatale Folgen gehabt“, sagte W. vor den Münchner Richtern. Informationen vertraulicher Quellen seien „eins zu eins“ weitergetragen worden. Verantwortlich dafür seien die Spitzen der Behörden gewesen.

Am Vormittag hatte das Gericht eine Ex-Freundin des mitbeklagten Wohlleben vernommen. Auch sie sollte vom Verfassungsschutz auf Wohlleben und Kapke angesetzt werden, erinnerte sich aber ebenfalls nur bruchstückhaft. Der Prozess wird nächsten Dienstag mit der Befragung eines weiteren ehemaligen Verfassungsschützers fortgesetzt, der ebenfalls mit Tino Brandt zusammenarbeitete. Brandt selbst soll zu einem späteren Zeitpunkt in München vernommen werden.