Die Angeklagte im Münchener NSU-Prozess, Beate Zschäpe hat angekündigt, beim Verhandlungstag am Mittwoch eine Aussage zu machen. Ihr Anwalt soll eine Erklärung verlesen. Rückfragen sind offenbar nicht vorgesehen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - „Ich habe mich nicht gestellt, um nicht auszusagen.“ Das ist der Satz von Beate Zschäpe aus dem November 2011, an dem sich die meisten Beobachter des NSU-Prozesses in München seit zweieinhalb Jahren manchmal festgehalten haben. Womöglich, so die Vermutung, ändere Zschäpe am Ende doch noch die Route, die ihre Anwälte von Anfang an als die einzig geh- und denkbare benannt hatten: ihre Mandantin, so die Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Herr und Wolfgang Stahl, solle am besten stumm bis zum Ende des Verfahrens bleiben. Dergestalt begann der Prozess – und ging in diesem Stil weiter. Zschäpes Schweigen überdauerte den Zwist mit ihren Verteidigern, und endete selbst dann nicht, als eben diese Verteidiger im Grunde genommen keine Verteidiger mehr waren. Zschäpe pflegte keinerlei Austausch mehr mit ihnen – und ließ sich allein von ihrem neuen, vierten Verteidiger, Mathias Grasel, beraten. Diese Beratung nun hat offenbar zu einer Änderung im taktischen Verhalten der wegen Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen beschuldigten Zschäpe geführt: in der morgigen Verhandlung will die Angeklagte erstmals reden. Beziehungsweise: reden lassen.

 

Hoher Divenstatus

Via Spiegel-Online, vorerst bestätigt lediglich vom Anwalt Grasel (und nicht vom Oberlandesgericht), wird kolportiert, dass Grasel eine umfangreiche Aussage Zschäpes vorlesen werde. Allerdings sind die Einschränkungen direkt inklusive: Es ist nur ein Tag für diese Aussage reserviert, was mit ziemlicher Sicherheit ausschließt, dass es zu Nachfragen des Gerichts, der Bundesanwaltschaft oder gar der Nebenkläger kommen kann. Wieder einmal reklamiert Beate Zschäpe einen relativ hohen Divenstatus für sich. Gleichwohl dürfte die Erleichterung gerade auf Seiten der vielen Nebenkläger beträchtlich sein. Es war für die Angehörigen der Opfer – physisch spürbar im Saal – nicht nur zu Beginn des Prozesses oft fast nicht auszuhalten, dass Beate Zschäpe dem Verfahren folgte, ohne sich zu äußern.

Zschäpe selber hat spätestens Anfang 2015 zu erkennen gegeben, wie stark sie ihre angenommene Rolle als Belastung empfindet. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie so gut wie nie krank gewesen. Von nun an jedoch häuften sich Tage, an denen sie, von Medizinern und Psychologen jedes Mal beglaubigt, wegen Erschöpfungszuständen pausieren musste. Der psychiatrische Gutachter riet seinerzeit nach einem Gespräch mit Zschäpe dazu, unter Umständen doch die Strategie zu ändern. Folglich ergaben sich massive Kontroversen mit der angestammten Verteidigung – bis hin zu Zschäpes (dann abgelehntem) Ersuchen an das Gericht, man möge ihre Anwälte von ihren Aufgaben entbinden.

Belastet sich Zschäpe selbst?

Was von einer durch den Anwalt Mathias Grasel verlesenen Einlassung von Beate Zschäpe zu erwarten sein kann (Reue gar?), ist naturgemäß völlig offen. Zu hoffen wäre, dass Zschäpe Licht ins Dunkel bringt, was die Organisationsstrukturen des NSU angeht. Dazu müsste sie sich selber belasten, wenn sie erklärte, für die Gruppe doch mehr gewesen zu sein als die Frau im Hintergrund, die für eine mehr oder minder bürgerliche Fassade sorgte. Andererseits sind 14 Jahre im Untergrund eine lange Zeit – und können keinesfalls in ein paar Stunden durch den Monolog eines Anwalts ausgeleuchtet werden. Von den obligatorischen Erinnerungslücken abgesehen, hat sich in diesem Verfahren bisher nur Carsten S., gleich zu Prozessanfang, wirklich gesprächsbereit gezeigt. Beate Zschäpe beansprucht in München eine Art von letzer Chance. Der Andrang an der Nymphenburger straße wird entsprechend sein.