Nach dem Ende seiner Präsidentschaft vor gut sechs Jahren hat sich Barack Obama ein neues Leben mit lukrativen Buchverträgen und Vorträgen aufgebaut. Nun besucht der 61-Jährige Berlin.

Keine zehn Minuten dauert es mit dem Auto vom Weißen Haus über die Connecticut Avenue hinauf zum noblen Washingtoner Stadtteil Kalorama. Und doch fühlt man sich hier wie in einer anderen Welt. Die Azaleen und Rosenbüsche in den Vorgärten der Prachtvillen blühen in kräftigen Farben, unzählige Bäume spenden auf den Straßen Schatten. Wer sich in diese exklusive Ecke verirrt, der wird bald von dezenten Überwachungskameras wahrgenommen, bevor sein Ausflug spätestens an der Ecke Belmont Road und Tracy Place endet.

 

Zurückhaltung im Wahlkampf des Nach-Nachfolgers

Hinter einem quer stehenden Polizeiwagen und Betonklötzen kann man das Haus Nummer 2446 deshalb nur erahnen – ein 700 Quadratmeter großer Tudor-Backsteinbau, den vor sechs Jahren ein gewisser Barack Obama für 8,1 Millionen Dollar gekauft hat.

Dort residiert der ehemalige US-Präsident nach dem Auszug seiner Töchter Malia und Sasha mit seiner Ehefrau Michelle sowie den Hunden Bo und Sunny, schreibt am zweiten Band seiner Memoiren und plant seine umfangreichen sonstigen Aktivitäten, wenn er nicht gerade auf der Atlantikinsel Martha’s Vineyard oder dem Surfer-Paradies Hawaii weilt.

Am vorigen Dienstag hätte der 61-Jährige nur ein paar Schritte den lauschigen Hügel hinunter zum monumentalen Betonklotz des Washingtoner Hilton-Hotels spazieren müssen, um wieder im Zentrum des politischen Geschehens zu stehen. Dort hielt sein ehemaliger Stellvertreter und Nachnachfolger Joe Biden vor 3200 Gewerkschaftern die erste Rede seiner Wiederwahlkampagne fürs Weiße Haus. Doch Obama beließ es bei digitalen Glückwünschen. „Ich bin stolz auf das, was Joe Biden und seine Regierung in den letzten Jahren erreicht haben“, twitterte er: „Lasst uns an die Arbeit gehen!“

Das Biden-Lager hatte kein gesteigertes Interesse an gemeinsamen Auftritten

So beliebt der Ex-Präsident bei der Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ist und so groß seine Fangemeinde im Ausland auch sein mag: Mit dem Auszug aus dem Weißen Haus im Januar 2017 und dem Umzug nach Kalorama hat sich Obama aus der Tagespolitik weitgehend zurückgezogen.

Erst nach den Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und South Carolina meldete er sich im April 2020 zu Wort und unterstützte offen den Kandidaten Joe Biden. Auch das Biden-Lager hatte kein gesteigertes Interesse an gemeinsamen Auftritten des damals 78-jährigen Bewerbers und seines zwei Jahrzehnte jüngeren Vorvorgängers. Nach Bidens Wahl aber übte Obama in einem Fernsehinterview deutliche Kritik an Donald Trump, der sich weigerte, seine Niederlage einzugestehen.

Ehefrau Michelle gründete eine Filmproduktionsfirma

Dass ehemalige Präsidenten ihren Nachfolgern nicht ins Geschäft pfuschen, gehörte in den USA vor der Trump-Ära zur guten Tradition. Hinzu kam bei Obama: Der Harvard-Absolvent und Nobelpreisträger war zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Amt erst 55 Jahre alt und damit deutlich zu jung, um sich als Elder Statesman auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Also unterzeichnete er einen lukrativen Buchvertrag, gründete eine gemeinnützige Stiftung, die sich um das gesellschaftliche Engagement junger Menschen kümmert, gründete mit seiner Ehefrau Michelle eine Filmproduktionsfirma und trieb den Bau seiner Presidential Library in Chicago voran.

Vor allem anderen aber ist der Afroamerikaner ein rhetorisches Ausnahmetalent. Entsprechend gefragt ist er als Redner vor großen Auditorien – wie in Berlin, wo er am Mittwoch nach Stationen in Amsterdam und Zürich im Rahmen eines Europa-Trips in Berlin auftrat.

Der Ex-Präsident pflegt einen durchaus exquisiten Lebensstil

Von Anfang an waren Obamas postpräsidiale Aktivitäten mit beeindruckenden Geldsummen verbunden. Das ist – zumal in den USA – weder ungewöhnlich noch anrüchig. Der Ex-Präsident pflegt einen durchaus exquisiten Lebensstil. Neben dem Acht-Millionen-Anwesen in Washington und einem weiteren Haus in Chicago gehört ihm noch eine prächtige Strandvilla auf Martha’s Vineyard, die er für zwölf Millionen Dollar erwarb. Er hat zwei Töchter, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Amt noch in der Ausbildung waren. Und er unterstützt gemeinnützige Zwecke sowie seine Obama Foundation mit Spenden in unbekannter Höhe. Von der staatlichen Präsidentenpension von rund 200 000 Dollar im Jahr alleine ist das nicht zu bewerkstelligen.

Normalbürger zahlen zwischen 120 und 3000 Dollar Eintritt für Lesungen

Doch die nach unwidersprochenen Recherchen der „Financial Times“ über 60 Millionen Dollar, die Barack und Michelle Obama 2017 als Honorar für ihre beiden Memoiren aushandelten, machten selbst in den Vereinigten Staaten Schlagzeilen. Als Michelle Obama im Oktober des darauffolgenden Jahres in Washington aus ihrem Buch vorlas, gab es ein kleines Freikartenkontingent für Schüler und sozial Schwache. Normalbürger mussten aber zwischen 120 und 3000 Dollar Eintritt bezahlen. Das sind die üblichen Größenordnungen: Bei einer Australien-Reise in diesem März hatte Barack Obama zwei große Auftritte in Melbourne und Sydney. Nach Medienberichten soll er damit mehr als eine Million Dollar eingenommen haben.

Nun also Berlin, der Ort von Obamas größten Publikumserfolgen. 200 000 hatten ihm im Wahlkampf 2008 vor der Siegessäule zugewinkt. Der Ort seines Auftritts war die Mercedes-Benz-Arena mit 17 000 Plätzen. Die billigsten Karten kosteten 105 Euro.