Die Hilfen für Obdachlose scheinen zu greifen. Kritik von Verbänden gibt es trotzdem. In manchen Kommunen sind Wärmeplätze noch Mangelware.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Der Winter 2010/2011 war eine schauerliche Zeit für Obdachlose und Helfer im Land. Vier Menschen waren bis Mitte Januar erfroren, zwei in Ulm und zwei in Mannheim. Es folgte ein Jahr später ein noch härterer Winter, der bereits im November mit Eis und Schnee begonnen hatte. Diesmal waren Arme und Hilfsbedürftige rechtzeitig ins Warme gebracht worden oder hatten sich selber helfen können.

 

Noch ist dieser Winter nicht vorbei, doch mit Ende der langen, klirrkalten Phase im Februar lässt sich eine erste Bilanz ziehen. Sie klingt positiv. Wieder ist kein Obdachloser zu Tode gekommen, weil es an einer wärmenden Unterkunft gefehlt hätte. „Ich denke, die Sensibilität der Kommunen in Baden-Württemberg ist mittlerweile sehr hoch“, sagt Michael Heck vom Kommunalverband für Jugend und Soziales in Stuttgart. „Man ist immer erleichtert, wenn niemand zu Schaden kommt.“

Schon Anfang Dezember 2011 hatte das Sozialministerium die Sinne für die kommende Kälte geschärft und ein Papier mit dem Titel „Handreichung Erfrierungsgefahr bei Obdachlosigkeit“ verteilt. Die Arbeitshilfe war für Verantwortliche in Gemeinden, Städten und Landkreisen gemacht, sie enthält Hinweise, wie Obdachlose und die breite Bevölkerung auf Hilfsangebote bei Kälte aufmerksam gemacht werden können. Infokarten, Plakate und Pressemitteilungen gehören zu diesem Instrumentarium.

Oft sind junge Frauen auf der Suche nach einer Unterkunft

Immer wieder gebe es obdachlose Menschen, die im Winter nicht wüssten, wohin sie sich wenden könnten, sagt Frieder Claus vom Diakonischen Werk Württemberg. Er nennt das Beispiel einer jungen Frau, die von ihrem Mann nach einem Streit nachts aus der Wohnung geworfen wurde und 30 Kilometer bis zur nächsten Wohnungsloseneinrichtung zurücklegen musste. Immer noch fehlten vielerorts im Land Möglichkeiten der Soforthilfe. Außerdem weigerten sich gerade Frauen nach Gewalterfahrungen häufig, eine Sammelunterkunft aufzusuchen. „Das Problem fängt immer auf dem Land an“, sagte Claus. Belegplätze in einer Pension zum Beispiel gebe es in vielen ländlichen Gebieten nicht.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege hat in ihrem kürzlich veröffentlichten Situationsbericht zum Jahr 2011 die Unterkunftssituation im Land genau beleuchtet. Danach leben im Stadtkreis Heilbronn knapp mehr als die Hälfte aller Hilfesuchenden in einer „prekären Notversorgung“. Darunter verstehen die Wohlfahrtsverbände den Schlafplatz auf der Straße, das Biwak, eine Übernachtungsstelle bei Bekannten oder ein Gasthaus. Den zweitschlechtesten Platz nimmt Freiburg mit einem Anteil von 43 Prozent prekärer Fälle ein. Bester Stadtkreis im Vergleich ist Stuttgart mit einem Anteil von vergleichsweise lediglich 11,6 Prozent.

Im Zweifelsfall die Notrufnummer wählen

Bei den Landkreisen fällt Heidenheim mit einer Quote von 45,6 Prozent negativ auf, gefolgt vom Rhein-Neckar-Kreis (42,3 Prozent) und dem Kreis Reutlingen (33,9 Prozent). Der Enzkreis (5,7 Prozent) scheint hier als vorbildlich auf. Die Zahlen sagten nicht alles, schwächt Michael Heck ab. „Es gibt auch Kreise, die Kooperationen mit anderen getroffen haben. Es wäre schlicht falsch, die gleichen Einrichtungen flächendeckend überall zu fordern.“

Frieder Claus rät jedem, der einen mutmaßlich erfrierenden Menschen auf der Straße sieht, umgehend die Notrufnummer 112 zu wählen. Dann müsse das zuständige Rathaus in jedem Fall handeln.