Der ÖPNV-Pakt klärt die Zuständigkeiten von Verband Region Stuttgart, den Landkreisen und der Landeshauptstadt. Nun wird er sogar Gesetz. Doch es werden Konflikte bleiben.

Stuttgart - Drittes Gleis für den S-21-Abschnitt am Flughafen, S-Bahn-Misere, Expressbusse – so unterschiedlich die Themen auch waren, die auf der Tagesordnung des regionalen Verkehrsausschusses am Mittwoch standen, bei allen spielte der ÖPNV-Pakt eine Rolle. Diese Vereinbarung zwischen Land, Region, Kreisen und der Stadt Stuttgart über die Entwicklung und Aufgabenverteilung im öffentlichen Nahverkehr der Region Stuttgart, die im Februar 2014 geschlossen worden war, ist fast zur gleichen Zeit am Mittwoch ein paar Hundert Meter entfernt im Landtag einstimmig als Gesetz verabschiedet worden.

 

Eine gesetzliche Regelung ist notwendig gewesen, weil Zuständigkeiten neu geregelt werden. So ist die Region wie bisher für die S-Bahn zuständig, neu aber auch für Linien, die über die Regionsgrenze gehen, die Expressbusse und das regionale Verkehrsmanagement. Die Kreise und die Landeshauptstadt sind weiter Aufgabenträger für Busverkehre, Stadt- und Nebenbahnen wie etwa die Strohgäubahn. Damit ist ein jahrelanger Streit um Kompetenzen, der die Entwicklung des Nahverkehrs lähmte, zumindest formal beendet. „Es ist erfreulich, dass der Kompromiss für den öffentlichen Nahverkehr nun auch eine deutliche Zustimmung des Landtags fand und damit die Zuständigkeiten klar geregelt sind “, sagte der Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) am Rand der Verkehrsausschusssitzung. Die gesetzliche Verankerung mache den Weg frei für die Umsetzung, sagte die Regionaldirektorin Nicola Schelling. „Der Verband Region Stuttgart kann die Planungen etwa für die Expressbusse oder für eine intelligente Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger weiter vorantreiben.“

Ziel klar: Angebot binnen zehn Jahren verbessern

Über das Ziel des ÖPNV-Pakts sind sich die Beteiligten einig: Das Angebot an Bussen und Bahnen soll binnen zehn Jahre so verbessert werden, dass mindestens 20 Prozent mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. „Das macht Stuttgart zu einer nachhaltig mobilen Region und bedeutet mehr Lebensqualität für die Menschen. Der Gesetzentwurf nutzt den Menschen und der Wirtschaft in der Region. Zusätzlich trägt er dazu bei, die Feinstaubbelastung im Raum Stuttgart zu senken“, sagte der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Abseits der großen Worte und hehren Ziele machte die Verkehrsausschusssitzung aber auch deutlich, dass es weiterhin Konflikte geben wird. Beispiel: drittes Gleis am Flughafen. Die scharfe Replik von Bernhard Maier, dem Böblinger Ex-Landrat und Regionalrat der Freien Wähler, dass nur die Region mit 20 Millionen Euro zur Kasse gebeten werde, konterte Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) mit dem Verweis auf den ÖPNV-Pakt. Er verpflichte die Region geradezu dazu, so Kuhn sinngemäß, sich an der Finanzierung im Sinne eines besseren S-Bahn-Systems zu beteiligen. Andersrum werde ein Schuh daraus, konterte Maier: Hermann tue so, als ob der mit dem dritten Gleis verbundene Halbstundentakt für die Gäubahn eine finanzielle Sonderleistung des Landes für das dritte Gleis sei, dabei habe sich Hermann im ÖPNV-Pakt genau dazu verpflichtet. „Diese Zusage ist null wert“, sagte Maier.

Ärger programmiert: Abstimmung bei den Buslinien

Aber auch der Kampf gegen die S-Bahn-Misere eröffnet neue mögliche Konfliktlinien. Um den engen Fahrplan zu entzerren und die Anschlüsse zu den Bussen sicherer zu machen, sollen von Dezember an einige Linien um eine Minute früher losfahren und die Umsteigezeiten zu den Bussen von zwei auf bis zu fünf Minuten ausgedehnt werden. Doch just das hat Auswirkungen auf die von den Kreisen organisierten und finanzierten Busverkehre. „Da sind schwierige Abstimmungen nötig“, schwant einem regionalen Verkehrsexperten, „und das kann teuer werden.“ Zumal sich die Kreise im ÖPNV-Pakt zu einheitlichen Standards für alle Buslinien im Zubringerverkehr zur S-Bahn verpflichtet haben. Dazu zählen eine mindestens halbstündliche Bedienung in den Hauptverkehrs- und Normalverkehrszeiten von 6 bis 20 Uhr und eine mindestens stündliche Bedienung in den Schwachverkehrszeiten von 20 bis 24 Uhr und an Wochenenden.