Kleidung aus Naturtextilien gibt es schon lang, den Eco-Fashion-Trend erst seit 2008. Immer mehr Labels und Läden bieten fair produzierte und gehandelte Mode, die man mit gutem Gewissen kaufen kann.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Bruni Schreijäg geht es zu langsam. „Der konventionelle Handel tut sich unheimlich schwer“, sagt die Diplomdesignerin. Deshalb macht sie es einfach selbst – und eröffnet Mitte März in Ludwigsburg ein Geschäft, in dem es ausschließlich ökologisch und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Kleidung gibt. Mit dem Eco-Fashion-Label Leibschneider ist die 51-Jährige bereits seit 2011 am Markt, nun widmet sie sich einer weiteren Baustelle. Eine solche ist ihr Laden in der Fußgängerzone nämlich noch. Die Ausstattung wird natürlich bio sein, die Einrichtung ist recycelt, denn in ihrem Geschäft kommt es auf Glaubwürdigkeit an.

 

„Ich bin schon immer öko im Herzen“, sagt Bruni Schreijäg. Ihr Geld hat sie allerdings als selbstständige Designerin in der Sportbekleidungsbranche verdient. Und da steckt noch jede Menge Chemie in den Fasern. Als sie mehr und mehr alternative Stoffe und Materialien entdeckte, war der Schritt zur eigenen Modemarke logisch. Vor allem Jacken und Mäntel bringt Leibschneider heraus: Die Baumwolle und die Wolle dafür werden biologisch produziert, die Stoffe in der Schweiz und in Österreich hergestellt, die Kleidung wird in Polen genäht. Alle Beteiligten sind nach dem Global Organic Textile Standard zertifiziert. Als die Designerin ihre erste Kollektion in Berlin auf einer Eco-Fashion-Messe vorstellte, war sie begeistert: „Da gab es so viele tolle Sachen, und ich fand das Engagement der jungen Gründer so toll“, erzählt sie, „sie machen es alle aus Überzeugung.“

Der Eco-Fashion-Trend stammt aus Berlin

Kleidung aus Naturtextilien gibt es schon lang, den Eco-Fashion-Trend erst seit 2008. Er stammt eindeutig aus Berlin, wo Mareike Ulmann mit ihrem Label Format und die Norwegerin Jeanette Bruneau Rossow unter dem Markennamen Treches mit als Erste stylische Mode machten, die ökologisch und sozial verträglich hergestellt wird. Und seit 2009 findet parallel zur Berliner Fashion Week der Greenshowroom statt, mit einem jährlich zweistelligen Wachstum. Die Frankfurter Messe hat das Unternehmen mittlerweile gekauft. Im Januar präsentierten sich neben Leibschneider 29 Labels, bei der dazugehörigen Ethical Fashion Show waren weitere 85 Aussteller dabei.

„Es ist ein Nischenmarkt“, sagt Enrico Rima, „aber ein sehr dynamischer.“ Bei seiner Firma Lebenskleidung kaufen viele der Designer ihre Stoffe ein. Der 32-Jährige ist seit 2010 im Geschäft, und sein Umsatz hat sich jedes Jahr verdoppelt. Dass es sich bei der Branche um ein kleines Pflänzchen handelt, zeigt eine andere Zahl: Der Anteil der ökologisch produzierten Baumwolle liegt weltweit bei 1,3 Prozent. „Wir leben in Berlin ein bisschen in einer Blase“, scherzt Enrico Rima. In Hamburg passiere im Bereich Eco-Fashion ebenfalls sehr viel, überhaupt in den Ballungsräumen. Er hofft auf eine Entwicklung ähnlich wie im Lebensmittelhandel, wo die Bioware nun acht Prozent des Umsatzes ausmacht: „Heute gibt es in jedem Supermarkt Biomilch, früher gab es das nur in den Großstädten.“

Mit neuen Modellen das Alte überflüssig machen

Der Jungunternehmer ist eigentlich gar nicht vom Fach: Er hat Geografie und Umweltwissenschaften studiert. Der eine Geschäftspartner ist Germanist und Politikwissenschaftler, der andere Co-Gründer Betriebswirt. In Indien sind sie auf ihre Geschäftsidee gekommen, weil die Zeitungen dort voll waren von Berichten über verschuldete Baumwollbauern, die reihenweise Selbstmord begingen. „In Indien sterben Menschen wegen unserer Klamotten“, sagt Enrico Rima. Er hat gesehen, wie Arbeiter in einer Färberei mit Flip-Flops an den mit Chemikalien gefüllten Becken standen, wie das Abwasser in einen Brunnen lief. Mit neuen Modellen das Alte überflüssig machen, lautet die Philosophie der Firmengründer.

Das Alte, das meint auch die Fabriken in Bangladesch, die abbrannten oder einstürzten, wo Tausende Arbeiter zu Tode kamen. „Durch die Unglücke ist das öffentliche Interesse daran, wie Kleidung hergestellt wird, enorm gewachsen“, sagt Christiane Schnura von der Kampagne für saubere Kleidung. Geändert habe sich jedoch nichts: Im April jährt sich der Kollaps des Fabrikhochhauses Rana Plaza, die Betroffenen haben noch immer keine Entschädigung erhalten. Auch 29 deutsche Unternehmen ließen dort produzieren, darunter Adler und Kik. „Es ist ein Geschachere“, sagt die Koordinatorin des Netzwerks aus kirchlichen und anderen Organisationen, „währenddessen könnte so ein Unglück jeden Tag wieder passieren.“

Öko-Shirts gibt es bereits für zwanzig Euro

Ihr Ziel ist, die großen Marken dazu zu bewegen, nachhaltiger zu produzieren. Zwar ist öko in, und sogar ein Massenproduzent wie H&M hat eine Conscious-Collection zu bieten. Doch das neue Bewusstsein für die Umwelt ändert nichts daran, dass es weiterhin einen monatlichen Kollektionswechsel gibt. „Ein T-Shirt ist heute billiger als Brot“, sagt Christiane Schnura. Sie ist überzeugt davon, dass die Hälfte dieser Fast Fashion gar nicht verkauft und getragen wird, sondern in der Tonne landet. Deshalb müssten die Produktionskosten so niedrig sein – außerdem weil die großen Labels gigantische Profite machten. Weniger zu konsumieren sei eine Lösung des Problems, sagt die Kampagnenkoordinatorin, und auch zu protestieren.

Eco-Fashion kann sich schließlich nicht jeder leisten. Andererseits: Öko-Shirts gibt es bereits für zwanzig Euro, sagt der Stoffhändler Enrico Rima, „Nike liegt da wesentlich drüber.“ Die Designerin Bruni Schreijäg setzt auf Aufklärung. In ihrem Ludwigsburger Laden wird es eine Informationsplattform für Kinder und Jugendliche über faire Kleidung geben. „Man muss Zugang zum Wissen haben, dann legt man den Schalter um“, sagt sie. Die restliche Überzeugungsarbeit erledigt der Lifestyle: Eco-Fashion macht ihrer Meinung nach Spaß, ist cool und sieht überhaupt nicht mehr nach öko aus. „Es gibt einfach tolle Sachen“, schwärmt die Designerin.