Zum Singen gehört mehr als die Stimme – gefragt ist voller Körpereinsatz. Bei der nun vierten Opernwerkstatt in Waiblingen zeigen zwei Profis Nachwuchstalenten aus aller Welt, worauf es ankommt.

Es ist gerade mal zwei Monate her, dass Joonyeop Kim nach dem Ende des Gesangsstudiums seine Zelte in Deutschland abgebrochen und den Flieger ins Heimatland Südkorea genommen hat. Kaum dort, erfuhr er, dass er einer der Stipendiaten der 4. Internationalen Opernwerkstatt in Waiblingen sein wird. Und so ist der junge Bariton also wieder zurück, steht auf der Bühne des Bürgerzentrums und singt die Arie von Wolfram in Wagners „Tannhäuser“: „O du mein holder Abendstern.“

 

Thomas Hampson, US-amerikanischer Bariton und Mentor, hört genau zu. Nachdem der Beifall des Publikums im Saal verklungen ist, merkt er einige Dinge an: Das Tempo soll Joonyeop Kim konstant halten. Beim Singen schön aufrecht stehen, die Schultern zurücknehmen. Und bitte bloß nicht das tun, was Hampson als „die größte Sünde“ bezeichnet: Sentimental werden. „Bleib stark, auch wenn du etwas Zartes singst“, mahnt der Opernstar und schiebt Joonyeop Kim vor einen großen Spiegel, der am Rand der Bühne steht: „Du brauchst deinen ganzen Körper.“ Auch an der Aussprache der Vokale soll der junge Sänger noch arbeiten, rät Thomas Hampson, und lobt dann die Art, wie Joonyeop Kim das Wort „Grausen“ gesungen hat. „Das war sehr schön!“

Die Opernwerkstatt als „gelebte Völkerverständigung“

Joonyeop Kim ist einer von zwölf Teilnehmenden der Internationalen Opernwerkstatt, welche die aus Waiblingen stammende Sopranistin Melanie Diener und Thomas Hampson derzeit zum bereits vierten Mal leiten. Die jungen Sängerinnen und Sänger stammten dieses Mal aus zehn Ländern, sagt der Kulturamtsleiter Thomas Vuk, der die Opernwerkstatt als „gelebte Völkerverständigung“ bezeichnet. Beim gemeinsamen Musizieren zeige sich, dass Kultur Grenzen überwinden könne – und das sei in diesen Tagen besonders wichtig.

Dann ist auch schon der nächste Stipendiat dran: Luis Magallanes, der aus Venezuela stammt, zuletzt aber beim Internationalen Opernstudio Zürich gesungen hat. Der junge Tenor legt gleich los, mit einer Arie von Gioachino Rossini. Sein kraftvoller Gesang findet die volle Zustimmung des Lehrers. „Er singt, als ob es nichts wäre“, sagt Thomas Hampson beeindruckt. Allerdings wünscht er sich, dass Magallanes mehr vom Inhalt des Textes, den er singt, vermittelt und mehr schauspielert. Auf Anweisung marschiert der junge Sänger singend kreuz und quer über die Bühne. „Den Körper erden“, ruft Thomas Hampson, korrigiert mal eben die Haltung, klopft mit einer Hand auf den Brustkorb des Interpreten und erklärt diesem dann noch schnell eine hilfreiche Ayurveda-Atemtechnik, bei der die Luft gleichzeitig durch Nase und Mund eingeatmet wird.

Erste Erfahrungen mit schwäbischer Küche

Neben Tipps und Tricks für die Gesangskarriere hat Luis Magallanes, der zum ersten Mal in Deutschland ist, seit seiner Ankunft am Wochenende wie seine Mitstipendiaten auch erste kulinarische Erfahrungen gesammelt. „Sie haben Zwiebelrostbraten und Maultaschen ausprobiert“, sagt Brigitta Diel, die das Projekt Opernwerkstatt leitet.

Für Luis Magallanes, der wie alle Stipendiaten privat untergebracht ist, musste Brigitta Diel am Samstag auf die Schnelle eine neue Unterkunft finden, weil die Gastfamilie erkrankt war. Nun wohnt der Tenor bei Christine König in Neustadt. Ihre Kollegin Margot Sälzer, die Joonyeop Kim aufgenommen hat, habe sie auf die Idee gebracht, sich als Gastgeberin zu bewerben, sagt Christine König. Zunächst war sie leer ausgegangen, aber jetzt hat es doch noch geklappt. „Am Sonntag hat Luis für meine siebenjährige Enkelin den Papageno und Tamino gesungen. Sie hat sich gleich verliebt.“

Die Opernwerkstatt ist diesen Mittwoch zwischen 10 und 13 Uhr sowie 14 und 17 Uhr geöffnet. Ein Tagesticket kostet zehn Euro. Am Samstag gibt es ein Abschlusskonzert.