Kultur: Adrienne Braun (adr)

Ob es das „Triadische Ballett“ ist, bei dem die Tänzer Kostüme aus Holz, Draht oder Aluminiumfolie tragen, oder ob es die Entwürfe zum Folkwang-Zyklus sind, die im Obergeschoss gezeigt werden – Schlemmer geht es stets um eine schematisierte Darstellung der menschlichen Gestalt im Raum, die für ihn die mystische Einheit von Mensch und Kosmos spiegelt. „Homo“ nennt er die Figur, die keine knirschenden Knochen besitzt, sondern deren Gelenke durch Umlenkrollen ersetzt wurden, über die Schnüre laufen.

 

Wenige historische Fotos geben auch Einblicke in Schlemmers Leben: hier die Wohnung in der Senefelderstraße in Stuttgart, dort Fotos, die ihn als Clown zeigen. Aber gern würde man mehr erfahren von der Familie oder dem Alltag am Bauhaus in Weimar und Dessau, an dem sich die Visionen einer neuen Welt mitunter in handfesten Aktivitäten niederschlugen. Hier organisierte Schlemmer, weil er auch Theatermann war, legendäre Feste – wie das „Schlagwörterfest“ oder das „Bart-Nasen-Herzensfest“.

Körper bewegen sich wie Automaten

Dafür entdeckt man in der Ausstellung auch Beiläufiges – etwa eine originelle Zeichnung von 1922: eine schnell gekritzelte Puppenstube mit Esszimmer, Bad, Schlafzimmer und Sofa in der Wohnstube. „Bitte drücken“ steht wiederum auf dem „Figuralen Kabinett“, auf dem Körper wie Automaten bewegt werden. Anfang der Dreißigerjahre werden die Figurendarstellungen plötzlich sinnlicher, freier, man könnte fast sagen: menschlicher – als sei Schlemmer nun selbst der rigiden Schematisierung überdrüssig.

Wer weiß, wohin sich Oskar Schlemmer noch entwickelt hätte, hätten die Nationalsozialisten ihn nicht ins Abseits gedrängt. Seine Bittbriefe an Goebbels blieben ohne Wirkung. Die letzte Phase seines Werkes – er stirbt 1943 – lässt ahnen, dass ihm das Ende seiner Karriere nicht nur den Lebensmut genommen hat, sondern auch den Glauben an den neuen Menschen. 1942 malt er Männer, die den Stuttgarter Gaskessel tarnen. Nur zaghaft klingt das alte geometrische Ideal noch an. Schlemmer ist wieder im Realismus angekommen – und die Zeit der großen Visionen für ihn endgültig vorbei.