Die AfD-Landtagsfraktion plant nach dem Vorbild der AfD-Fraktion in Hamburg eine digitale Meldeplattform gegen Lehrer, die sich kritisch über die AfD äußern. Die Idee stößt im Land auf breite Kritik.

Stuttgart - Die AfD-Landtagsfraktion plant nach dem Vorbild der AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft eine digitale Meldeplattform gegen Lehrer, die sich kritisch gegenüber der AfD äußern oder aus Sicht der Partei gegen das schulische Neutralitätsgebot verstoßen. Das kündigte Rainer Balzer, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, in einer Mitteilung an. „Täglich erreichen mich Beschwerden über Lehrer, die sich abfällig über bestimmte Parteien oder auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump äußern“, so Balzer. Meistens könnten die Schüler gegenüber dem Lehrer argumentativ nicht bestehen. Auch Klassenarbeiten mit „beeinflussenden Fragen im Bereich Geschichte und Gemeinschaftskunde“ seien ihm schon zugegangen. Die AfD-Fraktion habe deshalb beschlossen, in den nächsten Wochen eine Plattform im Internet zu schaffen, um Beschwerden zu bündeln. Die AfD werde „gegebenenfalls mit der Lehrkraft und der aufsichtführenden Behörde ein Gespräch suchen“.

 

AfD-Landeschef Ralf Özkara zeigte sich überrascht. „Wir haben im Landesvorstand noch nicht darüber gesprochen“, sagte er. Dem Vorhaben stehe er aber „wohlwollend“ gegenüber. „Schulen sollten Einrichtungen sein, in denen Bildung vermittelt wird, sie sind keine Einrichtungen zur politischen Willensbildung“, so Özkara.

Kretschmann: „Offenes Denunziantentum“

Vorbild für das geplante Angebot der AfD im Stuttgarter Landtag ist die Aktion „Neutrale Schule“ der Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion, die im September online ging. Dort können Nutzerinnen und Nutzer der AfD-Fraktion melden, wenn Lehrkräfte oder Schulpersonal ihrer Meinung nach gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Die Meldung ist auch anonym möglich. Laut Medienberichten sollen vergleichbare Modelle in neun weiteren Bundesländern eingeführt werden.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat die Initiative der AfD kritisiert. „Die Pläne der selbst ernannten Alternative zu einer Denunziationsplattform halte ich für völlig daneben und in höchstem Maße für demokratieschädlich“, sagte sie. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte das als „offenes Denunziantentum“ kritisiert. Er sprach am Dienstag von „Bausteinen ins Totalitäre“.

„Alle Warnglocken sollten läuten“

Kritik kam auch von anderen Seiten. Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, der Thüringer Ressortchef Helmut Holter (Linke), sagte: „Alle Warnglocken sollten in uns läuten, wenn eine Partei das Anschwärzen von Lehrern und deren Überwachung zu adäquaten Mitteln ihres Handelns erklärt. Gerade für die Menschen in Ostdeutschland ist das ein No-Go, denn sie haben sich 1989 von Überwachung und Denunziation befreit.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) übten Kritik. Eine solche „Denunzianten-Homepage“ ziele auf die Instrumentalisierung von Schülern für parteipolitische Ziele, kritisierten GEW und DGB. Lehrer hätten die verfassungsmäßige Aufgabe, diskriminierende, rassistische oder demokratiefeindliche Positionen im Unterricht aufzuarbeiten. Die sächsische GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse betonte, Lehrkräfte seien verpflichtet, „kritisches Denken zu stärken und nicht zu unterdrücken“.

Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte: „Da sollen Lehrer eingeschüchtert werden, das ist schon eine beängstigende Entwicklung.“ In Hamburg zeige sich allerdings, dass der Versuch wegen vieler scherzhafter Meldungen nach hinten losgegangen sei.