Wegen Corona-bedingter Reiseeinschränkungen fehlen in Malaysia Zehntausende von Erntehelfern. Die Produzenten gehen nun ungewöhnliche Wege.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Stuttgart - Die Corona-Pandemie hat vieles zum Vorschein gebracht, was man auch vorher hätte wissen können, aber nicht unbedingt wissen wollte, nicht weiter beachtet oder erfolgreich verdrängt hat. Die prekären Arbeitsverhältnisse in deutschen Schlachtfabriken sind ein gutes Beispiel dafür. Gut in Erinnerung ist auch, wie bald nach der Schließung der Grenzen im März vielerorts SOS gefunkt wurde: Wer soll den Spargel von den Feldern holen? Wer kümmert sich um die Senioren, die zuhause betreut werden müssen? Sichtbar wie selten vorher wurde, dass ganze Branchen nur funktionieren, weil ausländische Arbeitskräfte für Niedriglöhne wahre Knochenarbeit leisten.

 

Statt zum Arbeitsamt ins Drogen-Rehazentrum

So wie die Ausbreitung der Infektionen lässt sich auch dieser Augenöffner-Effekt nun weltweit verfolgen. Ein beredtes Beispiel wird aus Malaysia berichtet, wo von September bis November eine Haupterntezeit von Palmölfrüchten ansteht. Wegen Corona-bedingter Reiseeinschränkungen fehlen 37 000 Arbeitskräfte, vor allem aus Indonesien und Bangladesch, rund zehn Prozent aller Erntearbeiter. Auf dem normalen Arbeitsmarkt sehen die Produzenten keine Chance, Ersatz zu bekommen. „Wir suchen nach Strafgefangenen, die in den kommenden Monaten entlassen werden sollen. Wir haben uns außerdem an Drogenrehabilitationszentren gewandt und versuchen jeden einzustellen, der geeignet sein könnte“, sagte Renaka Ramachandran, Vorstand beim Palmölproduzenten Sime Darby, gegenüber Reuters. Malaysia ist nach Indonesien der zweitgrößte Exporteur von Palmöl, das in Lebensmitteln, Waschmitteln, Kosmetika und Biodiesel verwendet wird. Die Arbeit in den Plantagen gilt als hart und gefährlich. Die Fruchtbündel werden mit einer Sichel vom Baum geschnitten, die an einer langen Stange befestigt ist, höhere Bäume muss der Pflücker erklettern.

Ein Viertel der weltweiten Farmarbeit machen Wanderarbeiter

Wie stark die globale Landwirtschaft auf Wanderarbeiter angewiesen ist, hat Maxim Torero Cullen, Chefökonom der UN-Ernährungsorganisation, in einem Dossier festgehalten: Mehr als ein Viertel der weltweiten Farmarbeit wird von Arbeitsmigranten erledigt. Trotz Corona, so seine Lehre aus 2020, seien geschlossene Grenzen keine Lösung.