Die Grünen wollen bei ihrem Parteitag in Kiel Wirtschaftskompetenz demonstrieren. Kretschmann warnt vor zu hohen Belastungen der Unternehmen.

Kiel - Mit umfassenden öko-sozialen Reformen wollen die Grünen die Schuldenkrise bekämpfen und die Wirtschaft umweltfreundlich machen. "Jetzt fangen wir so richtig an", sagte Fraktionschefin Renate Künast am Samstag vor rund 800 Delegierten des Grünen-Parteitags in Kiel. Auf den Kampf für den Atomausstieg folge "ein zweiter Aufbruch mit der ökologisch-sozialen Transformation".

 

In Anträgen, die verabschiedet werden sollten, fordert die Partei eine Vermögensabgabe für Reiche, einen höheren Spitzensteuersatz, einen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine europäische Finanzumsatzsteuer. Investitionen sollen in den ökologischen Umbau gelenkt werden.

Ungleichheit abbauen

Parteichef Cem Özdemir schwor die Grünen darauf ein, Partner für das Ziel einer "ökologisch-sozialen Marktwirtschaft" auch in der Wirtschaft zu suchen. Zugleich müsse die Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland abgebaut werden. "Das Wirtschaftsmodell, das wir gegenwärtig haben, ist ein Modell, das nicht zukunftsfähig ist", sagte Özdemir.

Das Grünen-Modell des "Green New Deal" will die Klima-, Finanz- und Armutskrisen zugleich angehen. Wirtschaftswachstum müsse entkoppelt werden von Ressourcenverbrauch und Emissionsausstoß. Erneuerbare Energien sollen zum Wirtschaftsmotor werden. Vor allem der Klimawandel zwinge zum ökologischen Umsteuern, heißt es in dem Vorstandsantrag. Die Politik müsse "ökologische Leitplanken" setzen.

Stärkere Kontrolle von Rüstungsexporten

In weiteren Beschlüssen forderten die Grünen eine stärkere Kontrolle von Rüstungsexporten mitsamt einem aufschiebenden Vetorecht für den Bundestag. Anlass war die umstrittene Genehmigung des Exports von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien.

Plastiktüten sollen notfalls per Verbot abgeschafft werden. Als erster Schritt solle eine Umweltabgabe von 22 Cent für jede Tüte eingeführt werden, beschloss der Parteitag.


Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzte sich für einen "nationalen Konsens" bei der Suche nach einem Atomendlager ein. Vor den Delegierten sagte Kretschmann: "Das einzige Kriterium kann sein: Was ist der sicherste Standort?" Der Bund und alle Länder hätten sich zu einer offenen Endlagersuche bekannt.

Kretschmann war zuletzt dafür kritisiert worden, dass er die Proteste gegen Gorleben als nicht mehr notwendig bezeichnet hatte. Dagegen forderten die Grünen per Resolution einen sofortigen Baustopp in dem Salzstock.

Kretschmann stimmte auf eine mögliche Niederlage der Gegner des umstrittenen Projekts Stuttgart 21 bei der Volksabstimmung am Sonntag in Baden-Württemberg ein. Der Konflikt um den Bahnhofsneubau sei aber schon ein Erfolg gewesen, "egal wie es morgen ausgehen wird, weil es die Republik verändert hat". Die Basis für mehr Bürgerbeteiligung auch in anderen Fällen sei gelegt. Angesichts sinkender Umfragewerte rief Kretschmann die Grünen zu Selbstbewusstsein auf: "Es gibt immer auch Rückschläge. Das muss man schon durchstehen."

Vermögensabgabe

Die Grünen beschlossen, dass Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl künftig per Urwahl bestellt werden können. Ob die Partei eine solche Mitgliederentscheidung für die Wahl 2013 ansetzt, ist aber noch offen.

Am späten Freitagabend hatten die Grünen überraschend eine neue Verfassung für Deutschland gefordert. Damit wollen sie eine engere Europäische Union und eine gemeinsame Wirtschaftsregierung als Antwort auf die Euro-Krise im Grundgesetz verankern.

In der Steuerpolitik will der Parteivorstand, dass Reiche per befristeter Vermögensabgabe mit 100 Milliarden Euro über zehn Jahre zur Kasse gebeten werden. Landesverbände fordern die Wiedereinführung einer dauerhaften Vermögenssteuer, die ebenfalls jährlich bis zu 10 Milliarden Euro bringen soll.

Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass die Steuer nach dem Auslaufen der Abgabe kommen soll. Zudem wollen die Grünen den Spitzensteuersatz auf 49 oder 53 Prozent anheben. Kretschmann warnte vor Überlastung für die Wirtschaft durch Vermögensabgabe und höheren Spitzensteuersatz: "Beides geht nicht."