Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zu Euphorie: Lachgas ist als Partydroge zunehmend auch in Deutschland beliebt. Das Narkosegas für harmlos zu halten, sei ein gefährlicher Trugschluss, warnen Ärzte.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor dem Konsum von vermeintlich harmlosem Lachgas. Auf die Inhalation von Distickstoffoxid, einem farblosen Gas aus der Gruppe der Stickoxide, könnten schwere neurologische Beschwerden oder Blutbildstörungen folgen, erklärte die DGN am Freitag (22. März). "Lachgas erobert derzeit als Partydroge Deutschland", heißt es in der Mitteilung. "Es gilt als vermeintlich risikoarm, da die Wirkung bereits nach wenigen Minuten nachlässt, doch das ist ein massiver Trugschluss!"

 

Viele Betroffene verschwiegen in der Klinik, dass sie Lachgas konsumiert hatten. Das erschwere häufig eine schnelle Diagnose und damit einen raschen Therapiebeginn mit größeren Chancen, Langzeitschäden zu vermeiden. Gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung fordert die DGN deshalb eine Informationsoffensive gerade für Jüngere. Denn die Gefahr durch Lachgas werde unterschätzt: "Die wenigsten Menschen wissen, dass sie schwere, möglicherweise auch lebenslange Folgen davontragen können."

Riskante Partydroge

Lachgas-Kartuschen in einem Berliner Shop. Foto: Imago/Funke Foto Services

Gefährlicher Stimmungsaufheller

Das Narkosegas werde zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zu Euphorie zu erzeugen, erklärt die DGN. Der Konsum steigt demnach insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel habe sich die Zahl der dem Landeskriminalamt bekannten Missbrauchsfälle von 2022 bis 2023 mehr als verdreifacht.

Dass der Konsum von Lachgas als Partydroge nicht ungefährlich ist, betont auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Bei häufigem Konsum könnten die inneren Organe und das Nervensystem Schaden nehmen. Bei einem zu hohen Anteil in der Atemluft drohe Bewusstlosigkeit. Beim Konsum direkt aus der Kartusche etwa könne die Lippe festfrieren, heißt es warnend auf der Internetseite drugcom.de.

Lachgas kann laut Bundesdrogenbeauftragten bei extensivem Konsum das Nervensystem dauerhaft und schwer schädigen. Und es kann zu akuten Lähmungen führen. Lachgas ist in Deutschland kein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes.

Narkosemittel in der Medizin

Lachgas wird etwa beim Zahnarzt als Arzneimittel (Inhalationsanästhetikum) eingesetzt. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Soweit Lachgas in der Medizin als Arzneimittel (Inhalationsanästhetikum), beispielsweise beim Zahnarzt oder während einer Geburt eingesetzt wird, unterliegt es dem Arzneimittelrecht und ist verschreibungspflichtig. Als Treibgas in Spraydosen und als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln ist das Lachgas für den privaten und gewerblichen Gebrauch verfügbar.

Gefährlich ist der DGN zufolge zum einen, dass die Kartuschen bei Verwendung bis zu minus 55 Grad kalt sind. Bei direkter Inhalation seien schwerste Verletzungen an Fingern oder Lippen möglich, aber auch Lungenrisse durch den hohen Druck des komprimierten, sich ausdehnenden Gases. Neurologen seien aber vor allem über die möglichen neurologischen Folgen besorgt. Sie reichten von Bewusstlosigkeit durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge über Lähmungserscheinungen bis hin zu Hirnschäden.

Chronischer Konsum könne zudem einen B12-Mangel zur Folge haben, der wiederum schwere Blutbildstörungen verursache. Zudem seien neurologische Störungen wie die sogenannte funikuläre Myelose (Rückenmarkschaden) und periphere Neuropathie (Störung eines oder mehrerer Nerven des peripheren Nervensystems) möglich. "Wird der B12-Mangel nicht rechtzeitig erkannt, sind diese Folgen mitunter nicht mehr reversibel", heißt es in dem DGN-Bericht.

Langzeitschäden sind möglich

Auf einer Straße im Londoner Stadtteil Bethnal Green liegen mehrere Gaspatronen und ein Luftballon. Foto: dpa/Julia Kilian

„Im Grunde sagen wir: Alles ist möglich, beschafft euch das, werdet glücklich und habt viel Spaß“, unterstreicht Suchtexperte Heino Stöver von der University of Applied Sciences in Frankfurt am Main. Stöver kritisiert die fehlende Regulierung in Deutschland. Zudem werde hierzulande von Behördenseite kein Signal gesetzt.

Auch bei Lachgas seien Langzeitschäden wie eine geminderte Hirnentwicklung möglich. „Wir sollten alles daran setzen, Jugendliche davor zu schützen“, fordert Stöver. Beim Inhalieren von Lachgas – etwa direkt aus Kapseln oder aus Luftballons – tritt ein kurzer Rausch ein.

Die Botschaft der freien Verfügbarkeit müsse man einschränken und auf tatsächliche Gefahren hinweisen, so Stöver weiter. „Wir müssen vielleicht auch nicht sofort den Weg Großbritanniens oder der Niederlande einschlagen und alles verbieten. Vielleicht gibt es da einen Mittelweg.“ Es fehle an sachlicher Aufklärung, vor allem, wenn es um die Frage des sicheren Gebrauchs gehe. Konkret heißt das: Nicht mehr an unter 18-Jährige verkaufen, kleinere Größen einführen und nicht jede Größe frei erhältlich machen.

Kurzer Rausch mit langen Folgen

Risikoreiche Partydroge: Lachgas kann bei extensivem Konsum das Nervensystem dauerhaft und schwer schädigen. Und es kann zu akuten Lähmungen führen. Foto: dpa/Thomas Frey
Inhaliert wird Lachgas durch Luftballons, die vorher mit Kartuschen befüllt werden. Foto: Imago/Andia

Der Effekt von Lachgas ist in der Regel: starke Euphorie, auch Benommenheit und Halluzinationen. Inhaliert wird es durch Luftballons, die vorher mit Lachgas-Kartuschen befüllt werden.

Unmittelbar nach dem Inhalieren setzt der Rausch ein und hält ein paar Sekunden bis zu drei Minuten an, erklärt Andrea Piest vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e. V. Doch das frei verkäufliche Gas kann sowohl kurz- als auch mittelfristig gefährlich sein. Setzt man den Ballon während des Konsums nicht zwischendurch ab, um normal Luft zu holen, kann es zu Sauerstoffmangel im Gehirn und in den Organen kommen.

Vorsicht bei Mischkonsum

Um Risiken zu minimieren, sollte man generell auf Mischkonsum verzichten. Insbesondere sogenannte „Downer-Drogen“ wie GHB (Liquid Ecstasy), Alkohol und Opiate verstärken sich gegenseitig. Und das Risiko besteht, ohnmächtig zu werden oder zu erbrechen.

Lachgas wird häufig in Kombination mit Cannabis konsumiert. So soll der Lachgasrausch verlängert und der Cannabis-Rausch intensiviert werden. Das kann vor allem bei hohen Dosen gefährlich werden, da beide Substanzen den Blutdruck senken und sich somit das Risiko für eine Bewusstlosigkeit erhöht.

"Wir sehen in der Klinik immer mehr Menschen, die mit neurologischen Akut-, Subakut- oder Spätfolgen ärztlichen Rat suchen", erklärt Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Hirnstiftung und ehemaliger Präsident der DGN. "Den Lachgaskonsum erwähnen sie in der Regel bei Erstvorstellung nicht, wohl auch, weil die meisten gar keinen Zusammenhang herstellen, erst recht, wenn es sich um Spätfolgen handelt."

In Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas nicht verboten. In anderen Ländern wie den Niederlanden und Großbritannien sei es hingegen bereits als Droge eingestuft, heißt es seitens der DGN. Frankreich habe den Verkauf an Minderjährige verboten.