Als Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW schaut Doro Moritz Kultusministerin Eisenmann (CDU) genau auf die Finger. Sie findet, diese orientiere sich zu stark an konservativen Wählermilieus. Von Verbesserungen an den Schulen sei nichts zu sehen.

Stuttgart - Mit großer Skepsis geht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in das neue Schuljahr, das am 11. September beginnt. „Die Rahmenbedingungen sind weiterhin unbefriedigend, das Warten auf Verbesserungen geht weiter“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz vor Journalisten. Die Unterrichtsversorgung sei „nichts als Flickschusterei“, besonders Grund- und Sonderschulen werden auch im neuen Schuljahr unter großem Lehrermangel leiden, erwartet Moritz.

 

Die Gewerkschafterin kann auch für die Zukunft keine Anzeichen für Entspannung erkennen: „Ich sehe nicht, dass sich der Mangel in zwei bis drei Jahren erledigt“, sagte Moritz. Entsprechende Einschätzungen hatte es in der Vergangenheit aus dem Kultusministerium gegeben. „Ich habe auch keine Hoffnung, dass gehandelt wird“, ergänzte Moritz. Sie befürchtet, dass die Schuldenbremse die Diskussion zum anstehenden Doppelhaushalt des Landes bestimmen wird. Das werde zu Lasten der schwächeren Schüler gehen.

Zu viele Risikoschüler

In Baden-Württemberg gibt es nach Einschätzung von Moritz keine zielgerichteten Maßnahmen, mit denen Risikogruppen gefördert werden. Besonders in der Grundschule fehle es den Lehrern an Zeit für die individuelle Förderung schwacher Schüler. Ohne mehr Lehrer und mehr Zeit „werden wir noch mehr Risikoschüler entlassen, ohne dass sie in der Lage sind, sich eine berufliche Perspektive aufzubauen“, warnte Moritz. Die dann entstehenden Kosten könne der Verzicht auf neue Schulden nicht ausgleichen. Die GEW-Chefin forderte den Abschied von der Schuldenbremse.

Jetzt müsste die Landesregierung die Weichen für das kommende Jahrzehnt stellen, meint Moritz. Die GEW verlangt die Stärkung der Schulleitungen, eine bessere Bezahlung der Grund- und Hauptschullehrer, den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit mit höherer finanzieller Beteiligung des Landes sowie beispielsweise mehr Studienplätze für Sonderpädagogen. Und natürlich mehr Lehrer. Allein an den Grundschulen sind nach Zahlen der GEW bis zum Jahr 2030 mehr als 2500 Lehrerstellen notwendig, um nur den zu erwartenden Schülerzuwachs auszugleichen – von Pensionierungen ganz zu schweigen.

Zu wenig Lehrer

So viele angehende Lehrer würden an den Pädagogischen Hochschulen im Südwesten gar nicht ausgebildet, damit der Bedarf gedeckt werden könnte, sagte Moritz. Sie lässt auch nicht gelten, dass eine Überversorgung entstehen könnte, wenn alle Lehrer, die jetzt in Teilzeit arbeiten, eine volle Stelle haben wollten. Dafür gebe es gar keine Anzeichen und selbst wenn, dann könnte die individuelle Förderung verbessert werden, argumentiert die GEW-Chefin. Es gibt etwa 20 000 Grundschullehrkräfte im Land.

Dass Kultusministerin Susanne Eisenmann für die CDU als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021 antritt, verheißt für Moritz nichts Gutes. „Ich möchte keine Ministerpräsidentin Eisenmann“, bekannte die GEW-Chefin. „Ich erlebe keine Maßnahmen, die die Bildungsqualität voranbringen“, klagte sie. Die Ministerin sei auf Außenwirkung bedacht, ihre Vorschläge seien „auf eine sehr konservative Wählerschicht gerichtet“. Eisenmann diskreditiere die verbindliche Ganztagsschule und sie habe sich bei der Verschiebung der Einschulung „von Eltern treiben lassen, die nicht auf die Kompetenz von Profis vertrauen wollen“. Anders als bei der Grundschulempfehlung sei bei diesem „kontraproduktiven Schnellschuss“ der Elternwille sehr ernst genommen worden.

Falsche Gewichtung

Die Orientierung an potenziellen Wählern wird für Moritz besonders im Vorschlag Eisenmanns deutlich, kleine Hauptschulen zu erhalten. Die GEW verlangt statt dessen, dass Realschulen in den fünften und sechsten Klassen, der Orientierungsstufe, nicht nur auf Realschul- sondern auch auf Hauptschulniveau unterrichten dürfen. Dann erledige sich das Problem der Schulwechsler. Moritz warnte davor, „Schulen mit Auffangcharakter“ zu erhalten. „Die Ressourcen sind bei der Realschule besser angelegt“, betonte sie und hofft auf Unterstützung der Grünen. Deren Parteivorsitzende Sandra Detzer hatte sich ebenfalls gegen den Erhalt zu kleiner Schulen ausgesprochen.