Mit dem Kauf des Kartendienstes Here wollen Daimler, Audi und BMW autonomes Fahren voranbringen. Es gehe beispielsweise darum, Staus zu vermeiden und die Fahrten sicher zu machen. Dafür sei eine breite Datenbasis wichtig.

Berlin - Der Auftritt erinnert an Zeiten, als neue Technologiefirmen ihre Aufnahme ins Börsensegment Neuer Markt feierten: Die Vorstände der Autokonzerne Daimler, Audi und BMW sind ohne Krawatte erschienen und duzen sich mit Managern des Kartendienstes Here. In der Berliner Deutschlandzentrale, in der 1000 Mitarbeiter von Here an präzisen, digitalen Karten arbeiten, wird der vor Monaten angekündigte Kauf verkündet: Daimler, Audi und BMW sind die neuen Anteilseigner des Kartendienstes. Für einen Kaufpreis von 2,8 Milliarden Euro sind die drei deutschen Autobauer bei Here eingestiegen. Das Unternehmen gehörte zuvor zum finnischen Nokia-Konzern. Die Kartellbehörden stimmten der Übernahme nun zu.

 

Die Botschaft der Vorstandsmitglieder Rupert Stadler (Audi), Klaus Fröhlich (BMW) und Thomas Weber (Daimler) ist eindeutig: Die neuen Eigentümer wollen bei Here nicht unter sich bleiben, sondern sind für weitere Partner offen. Die Autokonzerne sind zu jeweils einem Drittel beteiligt. Daimler-Forschungsvorstand Weber sagte, Ziel sei, dass der Anteil der drei Autokonzerne an Here so schnell wie möglich auf unter 50 Prozent sinke. Die Kartensysteme von Here sollen nicht nur für alle Autohersteller neuer Standard werden, sondern für die gesamte Industrie. „Die Karten werden umso besser, je mehr Partner beteiligt sind“, sagte BMW-Entwicklungsvorstand Fröhlich. Für die Autoindustrie sei der Zugang zu Karteninformationen in Echtzeit von großer strategischer Bedeutung, sagte Audi-Chef Stadler.

Das Auto der Zukunft sendet ständig Daten über die Fahrsituation

Die Manager machten auf der Pressekonferenz in Berlin deutlich, dass die Autokonzerne künftig auch Datenlieferanten werden wollen. Das Auto der Zukunft sendet ständig Daten über die aktuelle Fahrsituation. Welche Temperaturen herrschen, ob die Scheibenwischer eingeschaltet sind und ob der Wagen gerade im Stau steht – diese Informationen nehmen Sensoren am Fahrzeug auf und melden sie weiter. Die Manager der drei Autofirmen versichern, dass die Privatsphäre der Kunden dabei geschützt bleiben soll. Ausgewertet werden Informationen zur Fahrsituation, aber nicht zum Fahrer, versichern die Autokonzerne. Daimler-Vorstandsmitglied Weber erklärte, die Kunden würden gefragt, ob sie mit der Erhebung der Daten zur Fahrsituation einverstanden seien.

Mit dem Kauf von Here will die Autoindustrie dem automatisierten Fahren ein Stück näher kommen. Genaueste und zuverlässige Karten seien für das selbstfahrende Auto eine, aber nicht die einzige Voraussetzung. So müssen dafür auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Funknetzkapazitäten geschaffen werden. „Wir werden eine komplett neue Welle beim autonomen Fahren erleben“, sagte Daimler-Vorstand Weber. Im kommenden Frühjahr werde der Stuttgarter Konzern mit der E-Klasse neue Anwendungen präsentieren. „Was gestern noch jeder für unmöglich hielt, kommt morgen“, sagte Weber am Rande der Pressekonferenz. Er fügte hinzu, dass die Daten der Autohersteller für die großen Internetkonzerne lange Zeit nicht interessant gewesen seien. Inzwischen habe ein Umdenken stattgefunden. Die Daten, die das Auto über Sensoren liefert, sind genauer als Informationen über das Smartphone. Die deutschen Autofirmen wollen das Geschäft nicht den Internetfirmen überlassen.

Here ist offen für weitere Autobauer

Sean Fernback, Vorstandschef von Here, sagte, das Unternehmen bleibe offen für die Konkurrenten der drei Automobilunternehmen. Das Geschäftsmodell von Here basiere darauf, unabhängig zu bleiben. Die Dienste würden weiterhin allen Unternehmen zur Verfügung stehen. Here beschäftigt weltweit 6000 Mitarbeiter. Zu den strategischen Zielen des Kartenanbieters gehört auch, stärker auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen.

Here-Chef Fernback betonte, Kartensysteme der Zukunft reichten weit über die Frage hinaus, wie man von A nach B komme. Es gehe beispielsweise darum, Staus zu vermeiden und die Fahrten sicher zu machen. Dafür sei eine breite Datenbasis wichtig. Je mehr Informationen einfließen, die etwa Fahrer zur Verfügung stellen, desto präziser funktioniere das System.