Um auf den für Kinder, Erzieher und Eltern schwierigen Alltag in Stuttgarter Kitas aufmerksam zu machen, hat die Initiative „Kitastrophe“ den Marktplatz plakatiert. Was steht auf den ausgedruckten E-Mails, die dort hängen?
Die Krippengruppe einer Stuttgarter Kita macht zeitweise ganz zu. In einer anderen Einrichtung werden Eltern gebeten, die Kinder in dieser Woche immer vor 14 Uhr abzuholen oder am besten gleich daheim zu lassen. Ein Kindergarten reduziert die Öffnungszeiten dauerhaft, ein andere schaltet vorerst in den Notbetreuungsmodus, das heißt, es dürfen nur maximal fünf Kinder pro Gruppe betreut werden. Wer einen Platz ergattert hat, wird noch informiert. Der Grund ist in allen Fällen derselbe: Personal fehlt, zu viele Erzieherinnen und Erzieher haben sich krank gemeldet. Eine verantwortungsvolle und den gesetzlichen Vorgaben gemäße Betreuung der Kinder kann nicht stattfinden.
Rund 50 anonymisierter E-Mails und Chatverläufe, die diese Geschichten erzählen, hängen derzeit auf einem großen grünen Banner auf dem Stuttgarter Marktplatz – in Sichtweite des Rathauses. Es sind Mails, die Kitaleitungen in den vergangenen Monaten an Eltern geschrieben, oder Whatsapp-Nachrichten, die sich Erzieherinnen untereinander geschickt haben.
Eltern verlieren Jobs wegen Notbetreuung
Zum Auftakt der Haushaltsberatungen im Gemeinderat will die Eltern- und Erzieher-Initiative „Kitastrophe“ mit dieser Aktion auf die in ihren Augen prekäre Situation in Kitas aufmerksam machen – und auf die Auswirkungen auf Familien und Fachkräfte. In einer Pressemitteilung dazu zitieren die Macher Betroffene: „An manchen Tagen habe ich nicht mal die Zeit, den Kindern emotionale Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken. Was soll ich machen, wenn ich alleine im Raum bin und mehrere Kinder weinen und getröstet werden müssen?“, sagt eine Erzieherin. „In unserer Kita haben im vergangenen Kita-Jahr zwei Mütter wegen der ständigen Notbetreuung ihren Job verloren. Über Monate konnten wir unsere Kinder nur an zwei oder drei Tagen pro Woche in die Kita bringen,“ berichtet eine Mutter.
Ihre Botschaft an die Rätinnen und Räte sowie die Stadtverwaltung hat die Initiative ebenfalls auf dem Marktplatz plakatiert: „Stoppt den Kita-Notstand“, steht da auf großen farbigen Plakaten. Seit März engagieren sich die Eltern und Pädagogen. Im Juli organisierten sie eine Demo in Stuttgart. Auf ihrer Homepage zeigen sie, welche Vorschläge sie haben, um dem Problem der mangelnden Fachkräfte zu begegnen, unter anderem fordern sie „eine tarifierte Stuttgart-Zulage für alle Kita-Beschäftigten in Höhe von 470,57 Euro“. Ihre Sorge: Wenn die Situation so bleibt, wie sie ist, verlassen noch mehr Fachkräfte erschöpft ihren Beruf.
Die zuständige Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Stadt bereits viel tue, um Fachkräfte zu halten und zu gewinnen, unter anderem zahlt Stuttgart Erzieherinnen eine freiwillige städtische Zulage. Außerdem wurden zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen und Fachkräfte von Verwaltungsarbeit entlastet. Am 25. September wird die Situation der Kitas außerdem erneut Thema im Jugendhilfeausschuss der Stadt sein.