In der ersten Fassung des Gutachtens steht jedoch auch, dass es eine Abwägung zu Lasten der Strafverfolgung sei, auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten – eine Auffassung, der Sabine Leutheusser-Schnarrenberger widersprechen würde. Das fällt Albrecht nun auf die Füße, und er verzichtet in der zweiten Fassung auf politische Schlussfolgerungen dieser Art. Das sei ohnehin nicht seine Aufgabe als Wissenschaftler, sagt er. Albrecht fordert die Politik vielmehr auf, ihre Bewertung der Vorratsdatenspeicherung auf eine Gesamtschau aller Indizien zu stützen und sich nicht einzelne Daten herauszupicken, die gut zu ihrer jeweiligen Position passen. Dafür seien die einzelnen Analysen im Gutachten nicht belastbar genug, denn die befragten Ermittler berichten nur von Einzelfällen und persönlichen Einschätzungen, und die Statistiken umfassen einen kurzen Zeitraum und sind auch nicht so detailliert, wie man es sich für eine eindeutige Analyse wünschen würde.

 

Doch auch wenn sich Wissenschaftler auf die Fakten konzentrieren, können sie enttäuscht werden. Vor allem die Natur- und Ingenieurwissenschaftler hätten oft falsche Erwartungen, berichtet Peter Weingart, der für die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften untersucht hat, wie Wissenschaftler Politiker beraten. Die Wissenschaftler hoffen, dass die politischen Schlussfolgerungen auf der Hand liegen, und sind dann ganz überrascht, wenn ihre Erkenntnisse doch ganz anders interpretiert werden. Im schlimmsten Fall werden ihnen sogar methodische Mängel vorgeworfen.

Die Klimaforschung weiß ein Lied davon zu singen. Seit vielen Jahren beschreibt sie mit immer besseren Messdaten und Computersimulationen, wohin ein ungebremster Anstieg der CO2-Emissionen führen kann. Inzwischen bestätigen fast alle Politiker, dass der Treibhauseffekt eine Bedrohung sei. Doch das zwingt sie noch nicht zum Handeln. „Was Wissenschaftler vermitteln, ist in der Politik in jedem Fall interpretationsfähig“, sagt Weingart. Hans-Jörg Albrecht sieht das ähnlich. Er habe schon zu manch sensiblem Thema Stellung bezogen, etwa zur Drogenpolitik und zu sexueller Gewalt, sagt er. „Bei diesen Themen gibt es einen bestimmten Punkt, ab dem keine inhaltliche Diskussion mehr stattfindet.“ Man könne sich dann fragen, ob sich der Aufwand lohne. Aber er, versichert Albrecht, werde weitermachen.

Und warum musste er sein Gutachten ergänzen? Weil er einen anderen Teil des Vertrags mit dem Ministerium nicht erfüllen konnte, erklärt Albrecht. Er hätte eigentlich auch untersuchen sollen, wie oft früher Telekommunikationsdaten abgerufen wurden und wie viele Verfahren eingestellt werden mussten, seit das nicht mehr geht. Die Landesjustizministerien hätte ihm die Daten nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen können, sagt Albrecht, und das Bundesministerium habe das Gutachten ohne diese Analyse nicht akzeptiert. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass der Justizministerin dieses formale Argument gelegen kam, um eine Nachbesserung einzufordern.