Der Kanzlerkandidat verspottet Merkel als „Talkshow-Queen“ und punktet damit bei der Basis. Die Genossen beim Politischen Aschermittwoch in Gundelsheim stehen jedenfalls geschlossen hinter ihm.

Vilshofen - Wie wird er auftreten? Lautstark, authentisch und auf den Putz hauend, wie es am politischen Aschermittwoch erwartet wird? Oder gezügelt und beherrscht, neue Fettnäpfchen meidend? Man erwarte eine „kämpferische Rede“ von Peer Steinbrück, der soll mal „richtig loslegen“ – das war am Tisch des SPD-Ortsvereins Gundelsheim in dem mit 5000 Plätzen fast ausgebuchten Festzelt von Vilshofen die einhellige Meinung. 240 Kilometer waren die Genossen in zwei Bussen gereist, natürlich wegen des bayerischen Spitzenkandidaten Christian Ude, aber auch wegen des kühlen Klaren aus dem hohen Norden. Schon beim Gang durchs Spalier wurde klar, die Genossen stehen geschlossen hinter dem Hanseaten, den sie als designierten Kanzler begrüßten. „Steinbrück – wir packen’s!“ rufen ihm die Leute zu, viele wollen ihm die Hand schütteln, eine alte Frau im Pelzmantel stoppt ihn, fragt, ob er ihren Brief erhalten habe.

 

Um es vorweg zu sagen: Peer Steinbrück ging in die Vollen, in seiner einstündigen, frei gehaltenen Rede brachte er das Zelt mehrfach zum Lachen, erntete wesentlich mehr Applaus als sein Vorredner Christian Ude, dessen witzigste Pointe im Satz bestand, die CSU sei in Sachen Studiengebühren „zu doof zum Umfallen“. Steinbrücks gerötete Wangen am Anfang der Rede zeugten von Nervosität, doch am Ende hatte er seine normale Gesichtsfarbe wieder – der Redner hatte seine Souveränität gefunden. Mit einer Mischung aus Derblecken der Union, Selbstbeweihräucherung als kantiger Politiker und solidarischen SPD-Slogans gewann er die Basis für sich. Am Ende skandierte die Menge „Peer-Stein-Brück“ und es wurde klar: wäre Deutschland ein Bierzelt – der Mann wäre Kanzler. Schon Ude hatte betont, dass die SPD an diesem Aschermittwoch erstmals mehr Zuschauer habe als die in Passau tagende CSU. Auch Steinbrück schoss sich auf CSU-Chef Horst Seehofer ein, „die lose Kanone auf dem Deck Deutschlands“, der „größte Wendehals“ seit der Wiedervereinigung. Im Bund sei die CSU, die außer ihrem „völlig idiotischen Betreuungsgeld“ nichts zu bieten habe, zur Randpartei geworden, die unter Artenschutz stünde, man solle sie „zum Teufel jagen“.

„Wollt ihr geölte und ölige Politprofis?“

Das Bundeskabinett verschmähte Steinbrück nicht mit Spott: Die Merkel sei eine „Talkshow-Queen“, bei der man nie wisse, was sie eigentlich gesagt habe. Schon an anderer Stelle hatte er sich kritisch über die Große Koalition mit der CDU geäußert, in der er einmal Finanzminister gewesen war. Merkel sei „nur so gut gewesen, wie ihre SPD-Minister im Kabinett“. Heute sei die Regierung eine „Gurkentruppe“, eine Große Koalition schloss er aus. Das Weltbild der Familienministerin Kristina Schröder (CDU) verortete Steinbrück „zwischen Helmut-Kohl-Postern und Barbie-Puppen“, Dirk Niebel (FDP) sei der Mann, der ein Ressort leite, dass er abschaffen wolle und die Liberalen seien ein „politischer Vampir“. Gespannte Stille herrschte im Zelt, als Steinbrück ankündigte, dass er „sich nicht verbiegen lassen“ werde. Natürlich schieße er mal übers Ziel hinaus, und es gebe dann „Korrekturbedarf“ und er habe verstanden, dass er sich „auf der Folie des Kanzlerkandidaten“ anders äußern müsse als früher. „Aber wollt Ihr einen geölten und öligen Politprofi haben? So eine Art Dampfplauderer, Muttis Liebling?“ Er sei nicht „glatt geschliffen wie ein Kieselstein“, sagte Steinbrück, er sei Politiker mit Ecken und Kanten und da komme es vor, dass „man sich manchmal im Bild vergreift“. Wenn es gewünscht werde, könne er Sätze sagen wie: „Diese Grundlage ist Voraussetzung für eine gute Basis“ – an denen dann kein Kommentator ein Haar in der Suppe finde. Beifall und Lacher zeigten: der Redner hatte in eigener Sache noch einen Punkt gelandet.

Neu im programmtischen Teil war Steinbrücks Sorge über die zunehmende „Verachtung“, die politischen Parteien entgegenschlägt. Pflege, Rente, Wohnungen, Mindestlohn, Europa – alles wurde gestreift unter dem Motto „Fairness statt Ellbogen“. Steinbrück bewies dabei erneut, dass er seinen spezifischen Humor einfach nicht abstellen kann. Da sagte er zum Beispiel, dass Frauen endlich soviel wie Männer verdienen müssten – „auch wenn mir als Mann das natürlich missfällt“. Im Zelt wird die Ironie verstanden. Am Ende Jubel. „Das war toll“, heißt es am Tisch der Gundelsheimer, „und es war sogar Programm drin“. Der sage, was die Leute bewege, meint einer. Ein anderer sagt, es sei da „heute ein Gefühl aufgekommen“, dass es besser werden könne in Deutschland.