Unter Musikern und Konzertveranstaltern in Stuttgart ist eine heftige Diskussionen entbrannt: Wie viel sollte eine lokale Band bekommen, die als Support vor bekannten Musikern spielt?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Manchmal braucht es einfach deutliche Worte, um eine Diskussion anzustacheln. Ohne Wertung bezüglich der Wortwahl sei deshalb hier zitiert, was die Betreiber der nach dem Esslingen-/Stuttgart-Pop-Sampler benannten Facebook-Seite "Von Heimat kann man hier nicht sprechen" am Sonntag gepostet haben:

 
 


Die Geschichte hinter dem besagten Gig ist schnell erzählt: Am Samstagabend fand das aus dem Universum ins kleinere Goldmark's verlegte, dort ausverkaufte Konzert von King Khan & The Shrines statt. Als Vorband traten die Musiker von Wolf Mountains auf, in der unter anderem der Die-Nerven-Schlagzeuger Kevin Kuhn mitspielt. Die Stuttgarter waren wenige Tage vorher als Vorband bestätigt worden. Die Wolf Mountains spielten also ihr Konzert. An dem Abend fragten sie nach einer Gage und bekamen zu hören, dass null Euro ausgemacht seien. Die Band düste Richtung Schauspielhaus, wo sie zu späterer Stunde ein weiteres Mal auftrat, nämlich zur letzten After-Show von Schorsch Kameruns Konzertinstallation "Denn sie wissen nicht was wir tun". Die drei Stuttgarter erklärten während des Auftritts, sie seien von Radio Clash "abgezockt" worden. Am Sonntag legte das Wolf-Mountains-Umfeld dann mit besagtem Facebook-Post nach.

Nach Angaben des Veranstalters war bereits im Vorfeld vereinbart worden, dass es für den Auftritt kein Geld gebe, sondern nur Gratisgetränke und etwas zu essen - und je nach Kassenlage vielleicht noch ein bisschen was obendrauf, sagt Markus Reichle von Radio Clash. Laut den Musikern von Wolf Mountains wurde über eine Gage vorab gar nicht verhandelt.

Der Konzertveranstalter Markus Reichle zeigte sich am Montag auf Nachfrage betroffen und verwies darauf, dass man sich auf einen Auftritt ohne Gage geeinigt hätte. Wegen der guten Ticketverkäufe habe man der Band nachträglich angeboten, etwas zu den Fahrtkosten zuzuschießen. Der Wolf-Mountains-Bassist Thomas Zehnle sagte am Montag, es sei "naiv von uns gewesen, nicht über eine Gage zu verhandeln. Aber wir sind einfach davon ausgegangen, dass es eine Gage gibt." Zumal das Goldmarks ausverkauft und der Ticketpreis recht ordentlich war. "Man fühlt sich da wirklich vors Gesicht gestoßen", sagt Zehnle, "als Band steckt man so viel Energie in die Musik und dann gibt es an so einem Abend nur trockene Sandwiches."

Der Wert von Musik

Der durch den Facebook-Post an die Öffentlichkeit gebrachte Fall mag kurios und die Wortwahl harsch klingen; doch lenkt das alles den Blick auf ein bisher selten diskutiertes Thema: den Wert von Musik, auch und gerade wenn diese Musik von vergleichsweise unbekannten lokalen Bands gespielt wird - nämlich im Vorprogramm der großen, bekannteren Bands.

Rein wirtschaftlich gesprochen geht der Deal so: Eine lokale Band hat in der Stadt einen gewissen Kreis an Fans, der durch den Auftritt dieser Band im Vorprogramm der Hauptband möglicherweise in den Club gelockt wird.  Dadurch verkauft der Veranstalter mehr Tickets für sein Konzert. Außerdem sind die Leute durch das ausgedehnte Programm länger im Club, wodurch für den Clubbetreiber die Getränkeumsätze steigen. Die Band wiederum kann sich einem neuen Publikum vorstellen und setzt, wenn ihr Auftritt gefällt, am Ende möglicherweise ein paar Tonträger oder T-Shirts ab. Außerdem kann sie sich mit dem Namen des Hauptacts schmücken. Das kann wiederum helfen, neue Auftritte an Land zu ziehen oder bei einem Label unterzukommen.

Die Frage, um die es in der aktuellen Diskussion geht: Wie viel Gage verdient eine lokale Supportband für ihren Auftritt? Und: Wie viel kann der Veranstalter überhaupt bezahlen?

50 Cent je Ticket

Markus Reichle erklärt, dass er lokalen Supportbands pro verkauftem Ticket einen Anteil abgibt, in der Regel um die 50 Cent. Bei Wolf Mountains habe man darauf verzichtet, weil besagter Werbeeffekt so kurz vor dem Konzert nicht mehr zu erzielen war. Dafür habe er zugesagt, der Band bei einem späteren Konzert einen weiteren attraktiven Support-Auftritt zu verschaffen. "Für die meisten lokalen Bands ist Musik ein Hobby. Da ist es doch fair, sie prozentual an den Ticketverkäufen zu beteiligen", sagt Reichle. Zumal die Konzerte wirtschaftlich oft so knapp kalkuliert seien, dass es wenig oder gar kein zusätzliches Geld zu verteilen gebe. Bei einigen Konzerten machten Veranstalter Verluste, die sie mit anderen Konzerten mit guten Ticketverkäufen ausgleichen.

Bei dem für die Förderung der hiesigen Musikwirtschaft zuständigen Popbüro wirbt man um Verständnis für gewinnorientierte Veranstalter von kleineren Konzerten wie Radio Clash. Sarah Beilharz vermittelt oft Stuttgarter Bands als Support. "Eine lokale Band mit ins Programm zu nehmen, bedeutet teilweise ziemlich viel Stress für die Veranstalter", sagt Beilharz. So müssten lokale Vorbands oftmals erst gegenüber dem Veranstalter der Gesamttournee durchgesetzt werden Die lokalen Bands, sagt Beilharz, locken oft gar nicht so viele zusätzliche Besucher zu den Konzerten. Außerdem entstünden Kosten, weil etwa der Tontechniker für eine längere Zeit bezahlt und mehr Verpflegung eingekauft werden müsse.

Im Popbüro empfiehlt man Bands, abzuwägen: zwischen einer fixen Gage und einer - Achtung, Betriebswirtschaftler-Deutsch - Umwegrentabilität. Ob man also für Auftritt mit einer bekannteren Band, den damit verbundenen Werbeeffekt und Prestigegewinn nicht auf eine Gage verzichten könne. 

Wie viel gibt das Budget her?

Ob man für lau arbeiten soll, ist die eine Frage. Die andere: ob Konzertveranstalter wirklich so knapp bei Kasse sind. Einige Stuttgarter Musiker äußerten sich am Montag gegenüber stuttgarter-zeitung.de so: Die Kalkulation und die Einnahmen gäben es durchaus her, dass man den lokalen Bands eine Gage zahle - und sei die auch nur symbolischer Art.

"Was ist Musik wert? Das, was die Leute dafür zu zahlen bereit sind ... nämlich nicht mehr viel", sagt der Stuttgarter Singer-Songwriter Markus Söll. Und ein anderer: "Allerdings sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Supportbands eine zumindest symbolische Gage ausgezahlt wird. Dies ist bei anderen Konzertveranstaltern in Stuttgart meines Wissens eben auch eine Selbstverständlichkeit." Drittes Statement: "Allerdings sollte Radio Clash um einiges respektvoller gegenüber Bands auftreten, die bereit sind für umsonst zu spielen. Zum Beispiel mit dem besten Catering der Welt oder so ..."

Ein offenes Geheimnis der Branche ist es, dass die lokalen Veranstalter bei Europatourneen in der Regel am kürzeren Hebel sitzen. Der Konzertveranstalter Berthold Seliger hat das in seinem Buch "Das Geschäft mit der Musik" so aufgeschrieben. Nur eine Gruppe steht in der Hierarchie dieses Geschäfts noch weiter unten: die Musiker, und unter diesen ganz besonders die weniger prominenten.

Soll man komplett für lau auftreten?

Und doch bleibt die Frage, ob Bands - so unbekannt sie auch sein mögen - sich wirklich komplett für umme auf die Bühne stellen sollen. In aller Regel gilt für Stuttgart: Wenn ein Konzert veranstaltet wird, für das die Besucher Eintritt bezahlen, spielt keine Band für null Euro. Zumindest einen symbolischen Betrag bekommt jede Combo. Der Konzertveranstalter Michael Schmidt von Stuttgart Rock Promotion zahlt laut eigenen Angaben mindestens fünfzig Euro Spritgeld je Auftritt und "wenn es gut läuft, auch mal 150 oder 200 Euro". 

"Eng ist es mit der Finanzierung manchmal schon", erzählt Schmidt, "aber es ist eine Sache von Respekt, der Band zumindest ein bisschen Geld zu geben. Ob ich jetzt fünfzig Euro mehr Miese mache, ist dann auch wurscht." In manchen Fällen verzichte die Band auch auf die fünfzig Euro und bekomme im Gegenzug einen weiteren Support-Auftritt.

Zehn Euro pro Bandmitglied

Auch wenn es am Samstag beim Wolf-Mountains-Konzert anders lief: Am guten Willen der Veranstalter scheint die Gage für lokale Bands nicht zu scheitern. Allerdings zeigen die Mini-Gagen, die in der Regel bezahlt werden, wie wenig bei denen hängenbleibt, die tatsächlich das Programm des Abends gestalten. Es kann leicht passieren, dass ein einzelnes Bandmitglied zehn Euro für einen ganzen Abend bekommt.

Der Wolf-Mountains-Bassist Thomas Zehnle hätte für den Auftritt seiner Band im Goldmark's 150 Euro als Gage okay gefunden. "Bei den kleinen, unkommerziellen Veranstaltern ist es ja was anderes, wenn die Band nichts bekommt. Aber bei solchen Konzerten, wo das Ticket teuer und der Laden voll ist, haben die großen Bands ihre Gage fix und für die Kleinen bleibt nichts übrig", sagt Zehnle.

Und es geht noch schlimmer

"Diese Mini-Gagen und auch die Gratis-Auftritte werden zu Recht angeprangert", findet Sarah Beilharz vom Popbüro, "aber sie sind nicht allein den Konzertveranstaltern anzulasten". Vielmehr komme es sogar vor, dass kleinere Bands sich bei größeren einkaufen müssen. "Buy-on" nennt sich dieses Modell, bei dem die unbekanntere Band der bekannteren Geld dafür bezahlt, dass sie mit auf Tour gehen darf. 

Spätestens, wenn Stuttgarter Bands für einen Support-Auftritt in ihrer Stadt zahlen sollen, droht wohl der nächste Facebook-Post.