Apple hat mit dem iPhone X ein Smartphone präsentiert, das sich mit den Konkurrenten Samsung, Huawei und LG messen kann. Doch trotz der innovativen Gesichtserkennung ist der einstige Innovationsführer nur noch einer von vielen, meint Redakteur Daniel Gräfe.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - Zehn Jahre ist es her, dass Apple mit dem iPhone Technikgeschichte schrieb. Mit dem Minicomputer, der auch noch als Telefon taugte, schrumpfte für die Apple-Jünger die Welt zum Taschenformat. Praktisch alles schien auf Fingerdruck möglich – Fotografieren, Musikhören, Navigieren, Surfen. Apple galt 2007 wohl als innovativste Firma weltweit und wuchs seitdem in puncto Börsenwert zur wertvollsten. 1,3 Milliarden iPhones hat der Konzern aus Cupertino inzwischen verkauft und damit selbst die Verkaufszahlen von Barbiepuppen übertrumpft.

 

Doch mit dem Börsenwert wuchs auch die Abhängigkeit: Mehr als die Hälfte der Umsätze und geschätzt die Hälfte der Gewinnmarge macht das iPhone im Apple-Kosmos aus. Auch deshalb war der Hype zur Präsentation des neuesten Modells am Dienstag in Cupertino so groß. Einen Flop zum Verkaufsstart im November wird es dabei sicher nicht geben. Das neue Flaggschiff kann mit jenen von Samsung, LG und Huawei konkurrieren. Außerdem kann sich Apple auch mittelfristig auf jenen kaufkräftigen Kundenstamm verlassen, der mit dem iPhone aufgewachsen ist.

Aus Apple ist ein Mitläufer geworden

Und dennoch ist binnen zehn Jahren aus dem Innovationsführer ein Mitläufer geworden, der in manchen Bereichen der Konkurrenz technisch einen Tick hinterherhinkt. Das kann auch die innovative Gesichtserkennung des neuen iPhone X nicht kaschieren. Auch die Masse machen andere: Weltweit verkauft Samsung weitaus mehr Smartphones, und ein Blick nach China zeigt, was Apple einmal in globalem Maßstab blühen könnte. Hier hängen derzeit gleich vier heimische Hersteller das iPhone ab.

Noch muss das Apple keine Angst einflößen. Schließlich kann sich der Konzern rund drei Viertel aller Gewinne aus dem globalen Smartphone-Geschäft sichern. Die gewaltige Kriegskasse wächst damit. Geld genug, um für den eigenen Innovationsschub bei Bedarf genügend Start-ups aufzukaufen und kluge Entwickler einzustellen. Sorgen bereiten sollte die erstarkte Konkurrenz allemal. Denn ihr Erfolg speist sich nicht nur aus dem teils günstigeren Preis – sondern aus einer Strategie der Offenheit.

Apple hinkt mit Sprachassistentin Siri hinterher

Ob Samsung, Huawei oder LG: Sie alle bedienen sich Googles Betriebssystem Android, das sie für ihre Zwecke modifizieren. Auch deshalb dominiert es gnadenlos den Markt. Sie alle können auch den Sprachassistenten von Google integrieren, der derzeit am rasantesten weiterentwickelt wird. Bei diesem Zukunftstrend – künstlich-intelligente Begleiter, die den Alltag der Smartphone-Nutzer steuern können – hinkt Apple mit Sprachassistentin Siri hinterher. Googles digitaler Begleiter hingegen wird von immer mehr Herstellern in die verschiedensten Haushalts- und Elektronikgeräte integriert. Ein klares Plus für die Smartphone-Produzenten, die ihn an Bord haben. Apple hingegen findet zu langsam Anschluss an die vernetzte Welt außerhalb des eigenen Systems. Die Mauern des eigenen Reiches schützen nicht nur, sie dämmen die Entwicklung auch ein.

Apple-Chef Tim Cook hat sich bereits von den allzu rigiden Prämissen des Übervaters Steve Jobs abgewandt und wagt ein klein wenig mehr Offenheit. So ließ er iPhones in unterschiedlichen Varianten und Größen produzieren. Seit Kurzem darf Siri auch mit fremden Anbietern kommunizieren. Und im Business-Bereich arbeitet man ein bisschen mit IBM zusammen. Diese Impulse von außen können Apple beim Wachsen helfen. Dass die nächste technische Revolution wieder von Apple kommt – das ist momentan aber kaum zu erwarten.

daniel.graefe@stzn.de