Selten waren Julia Roberts und Richard Gere so erfolgreich wie 1990 in der romantischen Komödie „Pretty Woman“. Deren Regisseur Garry Marshall war ein erfahrener TV-Profi, der das Kino immer als Fortsetzung des Fernsehens behandelte.

Los Angeles - Wo soll das enden, wenn Finanzhaie weiterhin ohne Rücksicht auf einzelne Menschen, ganze Gesellschaften, ja, den gesamten Planeten ihre Profitinteressen durchsetzen? Diese Angst ist nicht ganz neu. Der Hollywood-Regisseur Garry Marshall hat einen Riesenhit gelandet, indem er Salbe auf diese juckende Sorge schmierte. Seine romantische Komödie „Pretty Woman“ (1990) erzählte, dass auch die kaltschnäuzigsten Spekulanten ein gutes Herz haben, man muss nur den Schlüssel zu seiner Verliestür finden. Julia Roberts spielte damals die nette Straßenstricherin, die den guten Kerl aus der vonRichard Geregemimten Finanzheuschrecke herauslockte.

 

Am Dienstag ist Marshall nun im Alter von 81 Jahren in Kalifornien gestorben, und es ist der Ruhm von „Pretty Woman“, der ihm Nachrufe sichert. Aber schaut man genau hin, erkennt man, dass dieser Film voll kleiner, handwerklicher Ungenauigkeiten steckt. Als Kinoregisseur hat Marshall zwar auch noch einige andere Hits geliefert, „Die Braut, die sich nicht traut“ und „Plötzlich Prinzessin“ etwa, aber interessanterweise hat er sich nie ganz angepasst an die Anforderungen dieses Mediums. Er war ein Mann der raschen Gagfolgen, der kleinen Verbalpointen, keiner der großen Bilder. Sein Handwerk gelernt hatte er nämlich beim Fernsehen, wo er als Autor, Produzent und Regisseur zum Sitcom-Spezialisten wurde. Klassiker wie „The Odd Couple – Männerwirtschaft“ (1971-1974), „Laverne & Shirley“ (1976-1983) und „Mork vom Ork“ (1978-1982) stammen von ihm.

Alles nur fürs Publikum

Am Set eines Garry-Marshall-Films soll ungewöhnlich freundliche Stimmung geherrscht haben, sein Takt im Umgang auch mit unsicheren Schauspielern wurde oft gerühmt, und sein Jobverständnis kam nie ins Wanken. Er sah es als seine Aufgabe an, das Publikum zu amüsieren, nicht die Kritiker. Als Placido Domingo, Leiter der Los Angeles Opera, im Jahr 2005 jemanden brauchte, um Jacques Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ aufzufrischen, holte er keinen Musiktheaterprofi, sondern Marshall, der so etwas noch nie gemacht hatte. Aber dann strich der TV- und Kinomann munter, was er langweilig fand, und gab den Figuren Schrullen mit, an die Offenbach nicht gedacht hatte. Wie die Welt der Finanzhaie war auch eine Operette für Garry Marshall bloß eine weitere Sitcom.