Nicht nur was auf den Tisch kommt, wenn Familien mit Kindern zusammen essen, ist seit Längerem ein Politikum. Auch ob Zeitung und Handy dabei sein dürfen, ist heftig umstritten. Ein Thema, zwei Meinungen.

Das Familienessen ist längst keine Privatsache mehr. Selbst Krankenkassen befassen sich damit, plädieren für gemeinsame Mahlzeiten mit Kindern und haben Ratschläge parat, wie eine gesundes Frühstück oder Mittagessen aussehen soll. Denn Studien zeigen: Beiläufiges Essen begünstigt Übergewicht. Aber auch gemeinsame Mahlzeiten kann man sehr verschieden gestalten. Ein Dauerstreit: Sind Zeitungen und elektronische Medien erlaubt oder werden sie vom Familientisch verbannt? Zwei Redakteure diskutieren das Für und Wider:

 

Pro: Frühstück mit Kylian Mbappé

Jaja, gemeinsame Zeiten am Esstisch sind für Familien wichtig! Quality-Time und so. Die Frage ist halt, wie viel Quality um 6.30 Uhr aufkommt, wenn der Sohn morgenmuffelt, Streit mit der hypergutgelaunten, singenden Schwester bekommt und die Mutter sowieso erst mal zwei starke Kaffees braucht, um sprechfähig zu werden.

Da doch lieber was Sinnvolles beim Frühstück tun, nämlich lesen, am besten Zeitungen, Zeitschriften, Bücher. Auch das kann ja ein schönes Morgenritual sein: sich gemeinsam über die Welt zu informieren, anstatt sich konfliktreich selbst zu bespiegeln.

Bei uns läuft das Müsli-Essen so ab: Die Eltern lesen Zeitung, der Sohn Fußballmagazine, die Tochter sieht sich Bücher oder Comics an. Unkommunikativ ist das übrigens nicht: Heute morgen habe ich zum Beispiel erfahren, dass Kylian Mbappé, von dessen Existenz ich bis vor kurzem nichts wusste, schon mit 19 Jahren Weltmeister wurde und Thomas Müller nur kurze Verträge bei Bayern bekommt, weil er schon sooooooo alt ist. Im Gegenzug hab ich am Bespiel der toten Gina Lollobrigida auf dem Titelblatt zu einem kurzen Exkurs über den bedauernswerten Niedergang des Diven-Wesens in einer genderneutralen Zeit angehoben.

Am Frühstückstisch Zeitung zu lesen, ist für mich auch ein Stück Erziehung. Kann man Kindern besser vorleben, dass es wichtig ist, sich zu informieren, dass man dieser Weltschau im Alltagswahnsinn einen festen Ort und eine feste Zeit einräumen sollte? Ich finde nicht.

Lisa Welzhofer, 44, schreibt für das Team Familie, Bildung und soziales und ist Mutter zweier Kinder.

Contra: Wohlfühlinseln ohne Netzanschluss

Glück ist kein Dauerzustand, Glücksgefühle sind auch in einer intakten Familie nur in kleinen Dosen zu haben. Mehr geht nicht im vollgestopften Familienalltag. Die Arbeit der berufstätigen Eltern, die Schule der Kinder, Haushalt, Freunde, Sport, Musik und und und. Auch die digitalen Gerätschaften mit den Zeitfressern unserer Tage wie Spotify, Instagram, Tiktok und Netflix holen sich unerbittlich ihren Teil der kostbaren Familienzeit. Ein Rätsel, wie das überhaupt alles in ein Familienleben passt.

In dem von Unrast, von Arbeitsstress, Trotzphasen, pubertären Aufwallungen und dem Kampf um Handyzeiten geprägten Ereignisstrom stoßen sich die Beteiligten manchmal hart im Raum. Da ist es wichtig, Inseln zu haben, auf denen man sich mal kurz zusammen ausruhen und entspannen kann. Gemeinsame Mahlzeiten sind solche Zeitinseln. Dann müssen sie weg, die Zeitungen, Smartphones, Tablets, Ohrstöpsel. Playlists und Podcasts haben dann Pause. Damit mal wieder alle in der gleichen Gegenwart sind, nicht nur am gleichen Ort, wo jeder wie ferngesteuert sein Eigenleben führt und man sich fragt, ob man sich nicht besser eine andere WG sucht, wo die Leute netter sind.

Zugegeben: Auch auf Zeitinseln gibt’s Zoff. Aber manchmal stellt er sich ein, der Familien-Flow, wenn die Kinder anfangen zu erzählen, es lustig wird, alle am Tisch Spaß haben und Streit der Heiterkeit weicht. Dann spürt man, wie wunderbar es ist, eine Familie zu sein.

Mathias Bury, 63, ist Redakteur im Thementeam Familie, Bildung und Soziales, er ist verheiratet und Vater von zwei schulpflichtigen Töchtern.