Im Juli will sich der Gemeinderat mit der Zielsetzung der Klimaneutralität bis 2035 statt 2050 befassen. Dabei stehen vergleichsweise junge Programme auf dem Prüfstand.

Kurz vor der Sommerpause will sich der Gemeinderat mit dem neuen Klima-Neutralitätsziel befassen und wohl 2035 statt 2050 für die Landeshauptstadt ins Visier nehmen.Stuttgart müsste damit insgesamt das Tempo verdoppeln, bei der Sanierung von Gebäuden die Rate aber zumindest verdreifachen, schreibt das Beratungsunternehmen McKinsey in seiner Studie – und wohl viele Förderprogramme überarbeiten. Dabei sind diese Programme erst vor zwei oder drei Jahren neu aufgelegt worden, als Stuttgart unter OB Fritz Kuhn (Grüne) 200 Millionen Euro aus Haushaltsüberschüssen für diesen Zweck auf die Seite legte.

 

Kuhn ist nach wie vor aktiv, auch auf Twitter, wo er vor wenigen Tagen Helmut Dedy, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, retweetete. „Aus Sicht der Städte gab es bisher viel zu oft kurzatmige und schwerfällige Förderprogramme des Bundes, die bestenfalls ein Strohfeuer verursacht haben“, kritisiert Dedy. Die technischen Vorgaben seien viel zu detailliert, Mitteleinsatz und Wirkung für den Klimaschutz passten nicht zusammen. Damit spricht Dedy sicher vielen sanierungswilligen Eigentümern aus dem Herzen, aber auch mancher Fraktion im Gemeinderat, die schon länger und unter dem Eindruck des Krieges von Russland gegen die Ukraine nun vehementer auf Änderung drängt.

Das städtische Programm zum Heizungsaustausch, erst Mitte 2019 aufgelegt, müsse dringend reformiert werden, fordern das Fraktionsbündnis aus Linken, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei zusammen mit der SPD. Die Fraktionsgemeinschaft Puls schließt sich an und will „Fehlanreize zur Beheizung von Gebäuden mittels Gas beseitigen“, der schnellstmögliche Ausstieg aus Gas sei nötig, sagt Christoph Ozasek für die Puls-Fraktion. Die bisherigen Zuschüsse für Gasheizung und Gasinfrastruktur müssten umgeschichtet werden, fordern Linksbündnis und die Genossen, der Wechsel auf eine klimaneutrale Heizung müsse „mit Abstand“ die lukrativste Wahl werden.

Programm erst 2019 neu aufgelegt

Die Zuschüsse, die die Stadt beim Wechsel von Kohle oder Öl auf Gas auszahlt, sind heute erheblich und können 25 Prozent der Bruttoinvestitionskosten erreichen. Für eine Gastherme unter 30 kW Leistung gibt es als Basis 5000 Euro, dazu kommen für die Entsorgung des alten Öltanks 500 und den Gasanschluss 1000 Euro. Die Förderung ist mit Bundes- und Landesprogrammen kombinierbar. Einziger Haken: Der Austausch muss im gesamten Gebäude stattfinden. Dieser Haken greift offenbar auch in anderen Teilen des städtischen Energiesparprogramms. Es sei „völlig unzureichend, jedenfalls für Wohnungseigentümer“, klagte ein Betroffener. So würden neue Fenster nur für das gesamte Gebäude bezuschusst. Eigentümergemeinschaften in Mehrfamilienhäusern, von denen es unzählige gibt, sehen sich krass benachteiligt, im denkmalgeschützten Altbau sei der Fenstertausch „sogar oft die einzige erlaubte bauliche Maßnahme“. Durch diese Einschränkungen könnte das Programm vor allem zu Mitnahmeeffekten durch Bauträger führen, den normalen Wohnungseigentümern aber oft gar nicht erreichen. Diese Problematik scheint bekannt. „Das Förderprogramm fördert weitgehend an den Bürgern vorbei, trotzdem rühmt sich die Stadt dafür“, so der Betroffene.

Eigentümer sehen sich benachteiligt

Die Fraktionen fordern, dass die Verwaltung im Klima- und Umweltausschuss am 8. Juli über die Programme und eine mögliche Novellierung berichtet. Die Sozialdemokraten wollen außerdem OB Frank Nopper in die Pflicht nehmen. Er könne die Frage der Klimagerechtigkeit nicht nur an die Stabsstelle Klimaschutz delegieren, sondern müsse sie zu seiner Aufgabe machen, fordern die Kreisvorsitzenden, die Landtagsabgeordnete Kartin Steinhülb-Joos und Stadtrat Dejan Perc. McKinsey müsse nachbessern und „konkrete Vorschläge liefern, wie die Klimawende in die Stadt und an die Menschen gebracht wird“.