Viele Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg haben bereits Klimaschutzkonzepte. Die Projekte sind vielfältig – vom Nahwärmenetz mit Blockheizkraftwerk bis zur Unterstützung der energetischen Sanierung eines ganzen Stadtviertels.

Freiburg/Emmendingen/Allensbach - Klimaschutz ist keine Erfindung der grün-roten Landesregierung. Auf die Verdienste der Vorgängerregierung hatte jüngst der CDU-Abgeordnete Ulrich Lusche hingewiesen und damit zugleich auch die Zustimmung seiner Landtagsfraktion zum neuen Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes begründet.

 

1994 beschloss die damalige Landesregierung ein Klimaschutzkonzept Baden-Württemberg. Er wurde noch kurz vor der Landtagswahl vom Kabinett ohne Landtagsberatung erneuert – mit Zielvereinbarungen zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes (minus 30 Prozent bis 2020 gegenüber 1990) sowie 145 konkreten Einzelmaßnahmen. Es ging um Energieeinsparung, um Ausbau der erneuerbaren Energien, um CO2-Minderung im Verkehr und Landwirtschaft. Ebenfalls 1994 wurde die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) mit Sitz in Karlsruhe gegründet. Deren Arbeitsschwerpunkt sind Energiekonzepte für Kommunen, Handwerk, Mittelständler und Wohnungsbaugesellschaften, das Energiemanagement in Gebäuden, Verkehrskonzepte für Gemeinde. Eine ganze Palette von Förderprogrammen wurde aufgelegt, 2008 legte Baden-Württemberg unter der damaligen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) als erstes Bundesland ein Gesetz zum Einsatz erneuerbarer Energien vor, das im Gegensatz zum späteren Bundesgesetz auch für den Wohnungsbestand gilt. Als Wirtschaftsstandort war Baden-Württemberg dadurch nie gefährdet. Dennoch befürchtet dies jetzt die FDP angesichts des neuen Klimaschutzgesetzes.

Der Weg zum Ziel ist Gemeinden und Unternehmen überlassen

Unternehmen wie Kommunen suchen Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren durch Energieeinsparung oder zu investieren in erneuerbare Energien, um unabhängiger zu werden von Öl und Gas. In Städten und Gemeinden gibt es schon lange zahlreiche Projekte, deren Ziel ist, den Klimakiller CO2 zu reduzieren. Jetzt hat der Klimaschutz Gesetzesrang mit Zielvorgaben, konkrete Maßnahmen und Strategien werden im Herbst im sogenannten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) vorgestellt. Der Weg zum Ziel jedoch bleibt den Gemeinden und auch Unternehmen „in eigener Verantwortung“ überlassen, wie es im Gesetz heißt.

Für den Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sind die Städte und Gemeinden eine wichtige Stütze beim Klimaschutz. Die Kommunen erhalten Hilfestellung vom Land auf dem Weg zu einer „klimaneutralen Kommune“, wie jüngst auf einer Tagung ankündigt wurde. Allerdings wird die Förderpolitik des Landes verstärkt auf diejenigen Kommunen ausgerichtet sein, die beim Thema Klimaschutz einen „systematischen Ansatz“ verfolgen.

Einige Beispiele aus dem Land zeigen die Vielfalt der Konzepte in den Gemeinden, aber auch die Schwierigkeiten, wenn – wie etwa in Allensbach – die Ölpreisschwankungen die Wirtschaftlichkeit eines Ökoprojekts zum aktuellen Zeitpunkt der Entscheidung gefährden.

Prämiertem Projekt droht Aus – Wirtschaftlichkeit in Gefahr

Allensbach - Als die Gemeinde im Kreis Konstanz im März vom baden-württembergischen Umweltministerium als eine von acht Städten und Gemeinden als klimaneutrale Kommune ausgezeichnet wurde, war die Freude in der fast 6900 Einwohner zählenden Bodenseegemeinde groß. Denn das 1,25 Millionen teure Projekt soll mit 250 000 Euro Landesmitteln gefördert werden. Für dieses Geld will Allensbach an seinem westlichen Ortsende ein mit Gas oder Holzhackschnitzeln betriebenes Blockheizkraftwerk bauen, das die Grund- und Hauptschule, die Bodanrückhalle und sieben mehrgeschossige Gebäude in der Nachbarschaft beheizen soll, die in der Gemeinde als „Hochhäuser“ firmieren. Das Nahwärmenetz soll in den 30 bis 40 Jahre alten Gebäuden die bisherigen Ölheizung ersetzen. Immerhin verbrauchen sie zusammen jedes Jahr rund 200 000 Liter Öl.

Derzeit aber ist nicht sicher, ob das Nahwärmenetz tatsächlich auch kommt. Der seit 30 Jahren amtierende Bürgermeister Helmut Kennerknecht (CDU) ist skeptisch, ob sich der schöne Plan wirklich umsetzen lässt. „Das steht und fällt alles mit den Kosten“, räumt er ein. Nur wenn die Energiekosten des Blockheizkraftwerkes mit dem Ölpreis konkurrieren können, habe das Vorhaben eine reelle Chance auf Verwirklichung. 200 000 Liter Öl entsprechen etwa zwei Millionen Kilowattstunden Strom, rechnet Kennerknecht vor. „Nur wenn die Kilowattstunde bei acht bis neun Cent liegt, glaube ich dran“, sagt der Bürgermeister. Das entspreche einem Ölpreis von 80 bis 90 Cent pro Liter. Gegenwärtig aber lägen die zu erwartenden Betriebskosten der Anlage deutlich über zehn Cent pro Kilowattstunde. „Da sieht es schlecht aus“, bedauert Kennerknecht. Vielleicht muss Allensbach seinen schönen Klimapreis dann zurückgeben. Nach der Sommerpause will der Gemeinderat entscheiden, wie es weitergeht.

Freiburg hat Vision einer „Green City“

Freiburg - Ebenso ist jeder einzelne Bürger, jeder Hausbesitzer gefordert und erhält auch Förderungen bei der energetischen Sanierung. Einige Kommunen, beispielsweise Freiburg und Emmendingen, haben sich auf den Weg gemacht. Freiburg hat im Oktober 2010 den Titel „Bundeshauptstadt Klimaschutz“ im Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe errungen. Die Jury würdigte das Gesamtkonzept der Stadt zur Vermeidung umweltschädlicher Emissionen, vor allem des Ausstoßes von CO2. „Green City“, wie das Marketingmanagement die 210 000 Einwohner große Stadt in Südbaden gerne nennt, hat mit Klimaschutzprogrammen begonnen, als das Thema anderswo noch links liegen blieb. 1996 formulierte der Gemeinderat Klimaschutzziele und überprüft diese regelmäßig, eine aktuelle Bilanz wird derzeit erstellt. Freiburg will bis 2030 den Ausstoß der Treibhausgase um 40 Prozent reduziert haben, so der Beschluss von 2007.

Auf dem Weg dorthin sind mit neuen Solar- und Windanlagen und der Einführung von Niedrigenergiestandards bei Neubau und Sanierung von Altbauten im städtischen Bereich wichtige Schritte gemacht worden. Spektakulär sind die energetischen Sanierungen von drei Wohnhochhäusern im Stadtteil Weingarten auf Passivhausstandard. Ein weltweit einzigartiges Projekt. Die Luft über Freiburg ist auch sauberer geworden, weil das Heizkraftwerk der Universitätsklinik vor einem Jahr von Kohle aus Südamerika auf Holzpellets umgestellt und Lieferant für Fernwärme für Mietwohnungen geworden ist. Allein diese Maßnahme hat den CO2-Ausstoß um fünf Prozent reduziert.

Hilfe zur Energetischen Sanierung für ein ganzes Stadtviertel

Emmendingen - Die Kreisstadt Emmendingen, 15 Kilometer nördlich von Freiburg, 25 000 Einwohner groß, hat sich auf dem Weg zur „klimaneutralen Gemeinde“ den Stadtteil Bürkle-Bleiche als Modell vorgenommen, wo nicht einfach per Anordnung von oben, sondern mit den Bewohnern ein „Quartierskonzept“ erarbeitet wird. Die Gebäude in dem Viertel sind vierzig bis sechzig Jahre alt und verbrauchen dementsprechend viel Energie, umgerechnet wohl 25 Liter Heizöl auf den Quadratmeter pro Jahr. Das war kein Problem, solange Heizöl noch billig war. „Wir können bei Wärme zwischen 55 und 60 Prozent, beim Strom 50 Prozent einsparen“, ist der eigens für den Stadtteil angestellte Sanierungsmanager Armin Bobsien überzeugt.

Das Land Baden-Württemberg fördert die Stadtteilkampagne im Rahmen des Wettbewerbs „Klimaneutrale Kommune“ mit 150 000 Euro. „Das Wichtigste ist, die vielen Unsicherheiten zu beseitigen“, sagt Bobsien. Weder Eigentümer noch Mieter wissen in der Regel, welche Alternativen zu derzeitigen Heizungen möglich sind und welche Fördermittel für die Umrüstung etwa auf Blockheizkraftwerke angefordert werden können. Dafür stehen jetzt Energieberater zur Verfügung, auf Informationsabenden und sogar auf Straßenfesten ist Energiesanierung jetzt das dominierende Stadtteilthema. Andrea Koch-Widmann/Wolfgang Messner/Heinz Siebold