Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat angesichts der erwarteten Protestkundgebungen im Herbst vor Aggressivität gegen Politiker durch Kritiker der Corona-Maßnahmen gewarnt.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) von Thüringen rechnet im Herbst mit neuen Protesten gegen Corona-Maßnahmen und warnt im Zuge dessen vor Anfeindungen gegen Politiker. „Es geht nicht um politischen Diskurs. Es geht nicht darum, berechtigten Protest zu artikulieren“, sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstagsausgaben). „Es geht darum, Politiker aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben.“ Der Linken-Politiker sieht seit 2015 einen „wachsenden Frust“ in Deutschland.
„Das ging los mit Flüchtlingen und dem Gefühl, dass es ihnen besser und den Einheimischen schlechter geht“, sagte er. „Dabei spielte eine latente Ausländerfeindlichkeit eine Rolle und dass man nach unten treten will.“ Danach sei es mit Protesten gegen die Corona-Auflagen weitergegangen, „als es hieß, der Staat handelt gegen unsere Interessen.“ Und jetzt gehe es um die Gassituation.
Pro-russische Proteste in Gera
Ramelow nannte als Beispiel, dass kürzlich im thüringischen Gera 650 Leute mit Fahnen demonstriert hätten, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigten. „Da findet Kriegspropaganda einen dankbaren Abnehmerkreis.“
Von den wachsenden Protesten sei er auch persönlich betroffen, sagte Ramelow. „Es gibt Aufrufe, dass Demonstranten dort erscheinen sollen, wo Besuche des Ministerpräsidenten stattfinden. Und dann kommen Leute, um mich zu stören.“
Versuche, Politikerinnen und Politiker aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben, hätten mit Protesten gegen Angela Merkel (CDU) begonnen, sagte Ramelow. Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) seien attackiert worden. An diesen und anderen Punkten müsse die „Demokratie achtsam sein“, mahnte er.
Linke bei Frage zu Protesten gespalten
Ramelow betonte zugleich, dass „die berechtigten Proteste, zu denen meine Partei aufruft“, mit diesen Tendenzen „überhaupt nichts zu tun“ hätten. Die Linke „würde niemanden einschüchtern“. Seine Partei bringe zum Ausdruck, dass die Bundesregierung „Rentner, Soloselbständige und Studierende vergessen und die soziale Arithmetik aus dem Blick verloren hat“. Das müsse thematisiert werden. Allerdings würde er „nie von Montagsdemonstrationen reden, weil das Wort ein bestimmtes Bild suggeriert“, so Ramelow.
Die Linke ist uneins in der Frage, wie ihre Proteste gegen steigende Energiepreise und die Gasumlage der Bundesregierung gestaltet werden sollen. Der Ost-Beauftragte der Fraktion, der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann, hatte einen „heißen Herbst“ mit Montagsdemos in Ostdeutschland angekündigt. Das Problem für die Linke ist dabei die Abgrenzung von rechten Kräften, die ebenfalls zu einem „heißen Herbst“ aufrufen und gegen den Staat mobil machen wollen.
Montagsdemos haben lange Tradition
Die sogenannten Montagsdemos, die das Ende der DDR eingeläutet hatten, gehen auf das Engagement christlicher Oppositionsgruppen in den 80er Jahren zurück. Im Wendeherbst 1989 gingen die Menschen in Leipzig immer im Anschluss an die montäglichen Friedensgebete auf die Straße, um für Reformen und mehr Freiheit zu demonstrieren.
Ab Ende Oktober 2014 demonstrierte dann die islamfeindliche Pegida-Bewegung an Montagen gegen die Einwanderungs- und Asylpolitik, zunächst in Dresden und dann in weiteren Städten im Osten. Ab 2017 schlossen sich AfD-Anhänger den Protesten an.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte kürzlich angesichts der Preissteigerungen und einer möglichen weiteren Corona-Welle vor radikalen Protesten im Herbst gewarnt. Dann würden „Populisten und Extremisten ihre Chance wittern“, sagte sie.