Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Hemeyers These, dass die hiesige Justiz mit Kanonen auf Spatzen schießt, findet mittlerweile bundesweit Anerkennung. So diagnostizierte „Der Spiegel“ kürzlich: „In den Verfahren um den Stuttgart-21-Protest zeigen sich auffallend viele Merkwürdigkeiten. Es scheint, als arbeite sich der Staat an Bürgern ab, die sich in den Weg stellen, als handelten die Staatsdiener aus Wut auf die Wutbürger.“

 

Man kann Nina Picasso vorwerfen, dass sie in ihren Gedanken und ihren Gefühlen gefangen ist. Vielleicht blendet sie aus, dass es zu ihrer Sichtweise eine Gegenperspektive gibt. Aber ist sie deswegen eine Kriminelle? Nina Picasso ist Steuerzahlerin und Bahnkundin. Folglich ist sie von Stuttgart 21 direkt betroffen, aus dieser simplen Tatsache speist sich ihr Protest. Zur Revoluzzerin taugt sie gewiss nicht, es geht ihr nicht um die Veränderung der gesamten Gesellschaft. Selbst zur Wutbürgerin fehlt ihr das Temperament, denn sie verabscheut jegliche Aggression.

Wenn bei Stuttgart 21 immer alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, wenn die Bahn seriös geplant und wahrhaftig informiert hätte, wäre Nina Picasso niemals auf die Straße gegangen, sie hätte keine Baustellenzufahrt blockiert, sich an keinen Baum und keinen Bahnhofsflügel gekettet. „Ich demonstriere gegen einen Konzern, der meines Erachtens unrechtmäßig handelt, der Kosten vertuscht und der Natur- und Sachgüter zerstört, obwohl nicht klar ist, ob Stuttgart 21 überhaupt realisiert werden kann“, sagt sie. Nina Picasso wird gegen die Ankett-Urteile Berufung einlegen.