Der falsche Dr. Schenk muss für fast vier Jahre ins Gefängnis. Als angeblicher Arzt hat er mehr als 150 Patienten behandelt.

Stuttgart - Sogar der Richter sprach den Angeklagten am Ende mit seinem falschen Namen an und wandte sich zum Abschluss der Verhandlung versehentlich an "Herrn Schenk". Der wiederum dürfte diese Anrede zum letzen Mal genossen haben: Er ist am Freitag vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Der 27-Jährige hatte sich über Monate erfolgreich für einen studierten Mediziner ausgegeben und in dieser Zeit 161 Patienten behandelt.

 

Als Dr. Sascha Schenk arbeitete der Mann aus Aspach im Rems-Murr-Kreis von Juli 2009 bis Januar 2010 in einer Privatklinik in München und dann im Kreiskrankenhaus in Horb (Kreis Freudenstadt). Mit falschen Zeugnissen und gefälschten Approbationsurkunden täuschte er seine Arbeitgeber, legte seinen Patienten unter anderem Spritzen oder verabreichte ihnen Infusionen. Durch reinen Zufall flog der Schwindel schließlich auf: In einer weiteren Bewerbung war die schlechte Rechtschreibung des Hochstaplers aufgefallen und er daraufhin überprüft worden. Missbrauch von Titeln, Betrug und gefährliche Körperverletzung lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft.

Früh an der medizinischen Karriere gebastelt

Der Angeklagte, der über einen Hauptschulabschluss, aber keine Ausbildung verfügt, hatte schon früh an seiner medizinischen Karriere gebastelt. "Das zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben", so der Vorsitzende Richter, Ulrich Klein. Erste Stationen waren Praktika in Krankenhäusern, am Katharinenhospital, im Klinikum Bad Cannstatt und im Kreiskrankenhaus Nürtingen (Kreis Esslingen). Dort hat der Mann, von 2002 bis 2003 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. Von seiner Jugend an arbeitete er zudem beim Deutschen Roten Kreuz und ließ sich dort zum Rettungshelfer ausbilden. Die Weiterbildung zum Rettungssanitäter fehlte ihm jedoch, weshalb auch das FSJ nicht verlängert werden konnte. "Rettung war seine Welt", beschrieb ein Zeuge den Angeklagten während des Prozesses, der im April dieses Jahres begonnen hat.

Während er ehrenamtlich beim Roten Kreuz arbeitete, baute der Angeklagte immer intensiver an seinem Luftschloss. So bezeichnete er sich bereits 2007 gegenüber einer Bekannten als Krankenpfleger und Rettungsassistent. 2009 gab er sich Freunden gegenüber als Anästhesist aus und lief in OP-Kleidung durch das Katharinenhospital - während er in Wirklichkeit als Gelegenheitsjobber an der Tankstelle gegenüber arbeitete. "Danach war es nur noch ein kleiner Schritt, diesen Anästhesisten zu untermauern und mehr Glanz in die Hütte zu bringen", so der Vorsitzende Richter. Um sich von seinem Schuldenberg von 100.000 Euro zu befreien, kam der damals 26-Jährige auf die Idee, als falscher Arzt zu arbeiten. Er fälschte nicht nur die erste Approbationsurkunde, sondern auch seinen Lebenslauf. Diesem zufolge hatte er das Medizinstudium an der Universität Tübingen mit summa cum laude abgeschlossen, der Vater wurde vom Dachdecker zum Polizeioberrat, die Mutter war statt Friseurin nun Oberärztin. Dr. Schenk selbst behielt immerhin seinen tatsächlichen Vornamen.

Arbeitgeber waren mit seiner Arbeit zufrieden

Über eine Ärzteagentur erhielt er die erste Anstellung in einer Privatklinik in München und arbeitete dort bis Dezember 2009 als Assistenzarzt in der Anästhesie. Als die Klinik ihn fest einstellen wollte, weil sie mit der Arbeit zufrieden war, musste Dr. Schenk gehen: unter seinem Namen hätte er keine Sozialversicherungsnummer angeben können. Eine zweite Approbation legitimierte ihn als Notarzt und er fing als solcher im Kreiskrankenhaus in Horb an. "Damit setzte er noch eins drauf", so Klein. Denn während der Angeklagte in München im Team arbeitete, war er während der neun Einsätze in Horb auf sich allein gestellt. "Dem ganzen Werdegang liegt eine hohe kriminelle Energie zugrunde", so der Richter. Der Angeklagte habe die Patienten gefährdet, auch wenn sich einige Arbeitgeber positiv über ihn geäußert hätten.

Gegen den Angeklagten sprachen außerdem Vorstrafen: weil er seine Ex-Freundin verfolgt und bedroht hat, wurde er im Mai 2010 zu acht Monaten Haft verurteilt. Zudem soll er im April 2009 ein Laptop im Katharinenhospital gestohlen, seine Mietschulden nicht bezahlt und Bestellungen im Internet nicht beglichen haben. Zugute kam dem Angeklagten sein frühzeitiges Geständnis. "Er beging die Körperverletzung nicht aus feindlicher Gesinnung, sondern aus dem Wunsch, dass er retten wollte", so der Richter. Auch mit dem Urteil gab der vermeintliche Doktor sich zufrieden. "Er kann es für sich gut akzeptieren und hat seine Fehler eingesehen", bestätigte Verteidiger Jens Rabe.