Ein Autofahrer in Berlin entdeckt eine Radaranlage und zeigt den Mittelfinger. Und er hat Pech – das Gerät löst aus. Das könnte ungeahnte Konsequenzen für den Fahrer haben. Muss es aber nicht.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Dass die Berliner Polizei Fotos von Verkehrssündern im Internet postet, das ist keine Seltenheit. Sagt die Berliner Polizei. Und dass Fahrer und Fahrzeug zuvor natürlich unidentifizierbar gemacht werden. Besonders häufig geschieht das, wenn die Autofahrer nicht nur ein bisschen, sondern wirklich massiv zu sehr aufs Gas gedrückt haben. Mit 100 durch die 30er Zone, oder so. Solch einen Fall, der wie jetzt bei der sozialen Plattform X (ehemals Twitter) zum Quotenhit mutiert, hatten die Berliner Polizisten aber auch noch nie. Sagen sie.

 

Foto wird zum Quotenhit

Die Weihnachtstage waren gerade vorbei und das neue Jahr noch nicht angebrochen, da gab es im Bezirk Neukölln eine Kontrolle der Geschwindigkeit. 50 war erlaubt, und ein Audi-Fahrer hielt sich penibel genau daran. Er hatte die im Kofferraum eines zivilen Polizeifahrzeuges montierte Blitzanlage wohl gesehen, und zeigte mit erhobenem Mittelfinger, was er davon hielt.

Und er hatte Pech. Denn just in dem Moment, als der Finger seine volle Pracht entfaltete, wurde der Audi von einem anderen Audi überholt. Der war mit 59 Kilometern so schnell, dass die Kamera tat, was sie sonst nicht getan hätte – sie löste aus. Und es entstand ein wunderschönes Foto, welches die Polizei am zweiten Tag des neuen Jahres ins Netz stellte, und welches binnen 24 Stunden mehr als 1 Millionen Mal betrachtet wurde.

Solch einen Zuspruch habe man bisher selten gehabt, sagt die Berliner Polizei. Der Fahrer, der zu schnell unterwegs gewesen ist, wird nun seine Ordnungswidrigkeit bezahlen müssen. Der andere bekommt eine Anzeige wegen Beleidigung. Was da geschieht, liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft – und ist völlig offen.

Unterschiedliche Urteile in der Republik

Vergleichbare Fälle hat es in der Republik schon viele gegeben – mit höchst unterschiedlichen Rechtsfolgen. Denn juristisch muss erst einmal geklärt werden, wer da überhaupt beleidigt worden ist beziehungsweise ob jemand beleidigt werden sollte. Galt der Mittelfinger dem Beamten im Auto oder der Kamera – der es allerdings an einer überaus wichtigen Eigenschaft mangelt, der Beleidigungsfähigkeit. Die Rechtsprechung ist dementsprechend breit aufgestellt. Zwischen 1500 Euro Geldstrafe plus langem Fahrverbot wie vom Amtsgericht Kulmbach bis hin zum Freispruch, wie vom Landgericht Düsseldorf.

Natürlich fehlt es bei mehr als einer Million Aufrufen im Internet nicht an Vorschlägen, was für eine Bedeutung der ausgestreckte Finger noch haben könnte. Der Fahrer hätte ihn kurz davor in die Nase gesteckt haben können um nun das Ergebnis der Bohrungen zu präsentieren, sagen die einen. Er signalisiere seinem Beifahrer eine Minute verspätet zum Termin zu kommen, mutmaßen die anderen. Bis der Audi-Fahrer überhaupt offiziell davon Kenntnis erlangen wird, dass er im Internet zu einem kleinen Star geworden ist, werden noch etliche Vorschläge hinzu kommen.