Wenn eine ganze Stadt unter Verstopfung leidet, läuft irgendwas schief. In Stuttgart staut es sich an jeder Ecke und zu fast jeder Uhrzeit. StZ-Kolumnist Erik Raidt denkt über eine City-Maut für Hornochsen nach.

Stuttgart - Stuttgart leidet unter chronischer Verstopfung. Die Stadt hat immer größere Probleme, den täglichen Verkehr zu verdauen, bisher schlug kein Medikament an. Wenn ein Fußgänger die Paulinenstraße oder den Charlottenplatz überquert, muss er sich angesichts der automobilen Übermacht wie ein armer Irrer fühlen, der im südafrikanischen Krüger-Nationalpark urlaubt, mit dem Auto vor einem Löwenrudel anhält, sich nackt auszieht und dann in ein Gnu-Kostüm schlüpft. Sobald sich ein Stau kurzfristig auflöst, kommt es bei manchen Autofahrern zu Testosteronausschüttungen wie bei einem Zuchtbullen, der ein halbes Jahr lang arbeitslos war.

 

Jetzt versucht die Stadt, den Fluch mit der Magie der modernen Technik zu beseitigen: Sie sucht tausend Testfahrer, die ein neues Navigationssystem ausprobieren sollen. Die Stadt hofft, dass sich dadurch der Schleichverkehr durch die Wohngebiete verringert, wo derzeit die Blechkarawanen kamelgleich nach Wegen durch die Stoßstangen-Ödnis suchen.

Die Züge haben sich vom Fahrplan emanzipiert

In Staugart am Neckar brauchst du inzwischen einen Abschluss in Verkehrswissenschaften, um dein Ziel zu erreichen. Die Grünen fordern, im S-Bahnnetz künftig das European Train Control System einzuführen. Fraglich bleibt, ob die S-Bahnzüge mit einem solchen Kontrollsystem leben können, sie führen bereits seit einiger Zeit ein Eigenleben, das ihnen gut gefällt. In einem ersten Schritt haben sie sich von den überkommenen Fahrplänen nahezu vollständig emanzipiert.

Verschiedene andere Maßnahmen waren zuletzt an politischen Widerständen im Gemeinderat gescheitert. Dazu gehörten eine City-Maut für Hornochsen und eine der Abschreckung dienende Geisterbahn auf der Theo-Heuss-Straße, wo sich am Samstagabend ohnehin eine Menge Club-Gespenster tummeln.

Ein modernes Labyrinth in der Stadt

Dabei hätte gerade die Geisterbahn perfekt in eine Stadt wie Stuttgart gepasst, die seit Jahren unter Unerklärlichen Verkehrs-Objekten (UVOs) leidet. Zu diesen zählt die stadtbekannte Mystery-Baustelle, die aus dem Nichts heraus auftaucht, durch Absperrgitter Fahrspuren raubt, nach einigen Tagen verschwindet, um sich wenig später am selben Ort erneut zu materialisieren. Unterdessen verwandelt sich das Straßengewirr rund um den Anstich des Rosensteintunnels bei der Wilhelma unter Anleitung von sachkundigen Experten in ein modernes Labyrinth antiker Prägung.

Stuttgart – das ist viel Verkehr ohne Höhepunkte.

Angestaute Grüße, Erik Raidt