Rainer Brüderle, FDP-Fraktionschef im Bundestag, ist wieder da. Nach seiner Verletzungspause feiert der 68-Jährige in der schwäbischen Provinz mit einer knapp einstündigen soliden Rede ein kleines Comeback.

Remshalden - Er feiert sein kleines Comeback in der schwäbischen Provinz. Acht Wochen lang war er nach einem Bruch des linken Beins und des linken Armes in Kliniken, jetzt hat er am Mittwochabend im Weinort Remshalden-Grunbach seinen ersten öffentlichen Auftritt gehabt, der Termin war lange geplant: Rainer Brüderle, 68, FDP-Fraktionschef im Bundestag, ist wieder da. Er ist der Alte geblieben, kämpferisch, nicht abgemagert, wie manche behaupten, er ist jovial und auch sein Verhältnis zu Frauen ist anderthalb Jahre nach der Sexismusdebatte noch unverkrampft.

 

Einer lokalen FDP-Politikerin, die ein Foto mit ihm möchte, legt er den Arm um die Schulter. Und einer Journalistin schaut er, grinsend, tief in die Augen, als die Sprache auf den früheren FDP-Ministerpräsidenten Reinhold Maier kommt: „Da sind Sie zu jung, den noch zu kennen.“ Er habe kein Misstrauen zur Presse, aber er überlege sich zweimal, was er sage, sagt Brüderle. 200 Leute, meist ergraute Damen und Herren, sitzen am Veranstaltungsort, dem nüchtern-modernen Forum des Maschinenbauers Schnaithmann in Grunbach.

Bei der Debatte um den Soli hatte es in jüngster Zeit so ausgesehen, als ob der FDP-Parteivorsitzende Philipp Rösler im parteiinternen Gefüge die Oberhand erhalten sollte und der heimliche Spitzenkandidat sei. Auf Fragen der Presse reagiert Brüderle in diesem Punkt sensibel: „Es gibt nur einen Spitzenkandidat der FDP – und das bin ich.“ Sein Verhältnis zu Rösler sei exzellent, Rösler sei der erste Besucher im Krankenhaus gewesen, man telefoniere täglich. Er sei der Stürmer, Rösler der Mannschaftskapitän, hatte Brüderle einmal gesagt. Wie man mit gebrochenem Bein Tore schießen könne, wird er gefragt und „Mister Mittelstand“, wie ihn der Abgeordnete Hartfrid Wolff nennt, sagt: Er schieße Kopfballtore.

Ein Loblied auf den Mittelstand

Ein Feuerwerk der Ideen hatte Brüderle angekündigt, es ist wird eine ordentliche 45-minütige Rede, frei gehalten, im Stehen, Pointen setzend und Zwischenapplaus provozierend. Er singt das Loblied auf den Mittelstand, der sich so wohlwollend abhebt von den „Managersöldnern“ der Großkonzerne, die heute Autos, dann Gummistiefel und „morgen sich selbst“ verkaufen. Es sei „unerträglich“, was bei der Bahn in Mainz passiert sei, wo denn da die Personalplanung bleibe, fragt Brüderle: „Wenn ich eine Lok habe, brauche ich doch einen Lokführer!“ Bahnchef Rüdiger Grube empfiehlt er ein Praktikum beim Mittelständler Schnaithmann. Im übrigen frage er sich, was die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Bahn gemacht hätten. Die hätten nicht nur die Pflicht, „Lachsbrötchen zu essen“. Die Steuerdebatte ist für die Liberalen im Wahlkampf eminent wichtig, so geißelt der FDP-Frontmann denn auch die rot-grünen Steuerpläne, mokiert sich über den „Mao-Zuschlag“ von Jürgen Trittin und die sozialistische, „vorpubertäre“ Wirtschaftspolitik in Frankreich: „Nicht jeder Franzose will nach Russland auswandern.“ Er saugt genüsslich Zustimmung des Publikums bei seiner Kritik am Veggie-Day, den die Grüne Renate Künast vorgeschlagen hat: „Ich brauche keine Gouvernante, die mir vorschreibt, was ich zu essen und zu trinken habe.“ Kein Zweifel, Brüderle ist wieder in Fahrt.

Auffallend zurückhaltend ist er bei der Debatte um die Geheimdienste, das sei für ihn kein Wahlkampfthema, es sei Rot-Grün gewesen, die unter Minister Otto Schily in die Bürgerrechte eingegriffen hätten: Aber jeder vernünftige Staat brauche einen Geheimdienst und wenn in Deutschland „etwas passiert wäre, hätten wir hier doch eine ganz andere Debatte.“ Am Ende gibt es etwas Griechenland-Bashing: „Wir sind hilfsbereit, aber nicht blöd. Die müssen ihr Land selbst in Ordnung bringen.“ Das bringt Jubel, anschließend gibt es 30 Minuten Fragerunde, beim Stehempfang mit Wein ist Brüderle nicht mehr dabei. Der sei noch der Alte, flüssig und pointiert, lobt ein älterer Herr, der Brüderle vor Jahren schon im „Hirsch“ von Grunbach erlebt hatte. Ein anderer meint, der habe viel geredet, nichts gesagt: „Mitte entlasten“ stehe da auf dem FDP-Flyer: „Ja, wo und wie denn?“