Die Deutschland-Rallye lockt viele Fans, obwohl kein Deutscher in der WRC mitfährt. Skoda, ADAC und Opel wollen diesen Mangel beheben, sie sichten und fördern Talente. Doch das dauert seine Zeit.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart/Trier - Platz drei für Sepp Wiegand bei der Thüringen-Rallye im Juli, ein feiner Erfolg für den 25-jährigen Thüringer, mehr nicht. 2013 galt der Mann als Rallye-Hoffnung, als potenzieller WM-Pilot, als möglicher Röhrl-Erbe – Ende 2014 wurde er bei Skoda rigide aus dem Cockpit bugsiert. Gut, aber nicht gut genug für höchste Ansprüche. Nun driftet Wiegand wieder durch die dritte Rallye-Liga statt die Champions League – und der WM-Lauf zwischen Trier und den Moselweinbergen, der an diesem Freitag beginnt, findet wieder mal ohne Lokalmatador in der Eliteklasse WRC statt.

 

Lediglich Dominator Volkswagen hält die deutschen Farben in der WRC hoch, die drei Polo-Piloten liegen in der Fahrerwertung in Front: Hinter Weltmeister Sébastien Ogier(143 Punkte/Frankreich) folgen Andreas Mikkelsen (98/Norwegen) und Jari-Matti Latvala (87/Finnland). Zufrieden studiert VW-Motorsportdirektor Jost Capito das Tableau mit einem Lächeln, dass kein Fahrer „made in Germany“ beim Heimspiel in der Topliga mitmischt, empfindet er als Schönheitsfehler. „Es wäre gut, einen Deutschen in der WRC zu haben“, sagt der 57-Jährige aus dem Siegerland, „VW will Weltmeister werden – daher setzen wir die besten Piloten ins Auto und nehmen auf den Pass keine Rücksicht.“ Die Motorsportabteilung der Wolfsburger handelt unternehmerisch und marketingpolitisch: Titel sind der Treibstoff fürs Image; es würde der Marke schaden, wenn das Team aus freundschaftlicher Verbundenheit einen Deutschen in den Polo R WRC setzt, der womöglich dem Feld hilflos hinterherhechelt. Erfolg macht sexy. Als VW vor vier Jahren in der WRC debütierte, hatte das Team 50 000 Facebook-Freunde, nach drei WM-Titeln sind es zehnmal so viele. „Ein deutscher Fahrer im Polo würde die Zahl sicher in die Höhe treiben“, vermutet Capito.

Deutschland ist ein Land der Rundstrecke

Woher nehmen? Es existiert keine Software, um einen Walter Röhrl 2.0 zu kreieren. „In Deutschland kam halt nach meiner Zeit nichts mehr“, bedauert der Weltmeister von 1980 und 1982, „Michael Schumacher war für alle anderen Motorsportarten schlecht, weil jeder Bub nur noch Formel-1-Fahrer werden wollte und die Sponsoren auch dorthin drängten.“ Der Weg in den Rundstreckensport war und ist weniger holprig als in die Rallye, weil deutlich mehr Möglichkeiten bestehen. Es gibt mehr Kartbahnen als Rallye-Routen, auf denen Neulinge (auch auf Schotter) üben können. „Deutschland ist ein Rundstreckenland“, sagt Jost Capito.

Niemand muss sich damit abfinden, dass deutsche Rallye-Asse derzeit so selten sind wie Tanzbären als Primaballerina. Volkswagen sucht den Rallye-Star und hat die Aufgabe an Konzerntochter Skoda delegiert, die das Programm in Eigenregie managt. Scouts stöbern in Nachwuchsklassen, picken sich die Besten heraus und geben ihnen die Chance, in einem Skoda zu beweisen, dass sie etwas Besonderes sind. Wie Fabian Kreim. Der 22-Jährige aus Fränkisch Crumbach ist bei der Rallye in Deutschland mittendrin, er pilotiert einen Skoda Fabia R5 in der WRC 2, der zweiten Liga. „Wir trauen ihm viel zu“, sagt Capito, „aber es wird mindestens zwei Jahre dauern, bis er die Reife besitzt.“ Kreims Vorgänger in diesem Programm war jener Sepp Wiegand – in ihm sahen die Chefs nach zwei Jahren Lehrzeit bei Skoda jedoch kein Entwicklungspotenzial mehr.

ADAC fördert Fahrer mit bis zu 60 000 Euro

Skoda schöpft bei den fortgeschrittenen Talenten die Besten ab, ADAC und Opel sorgen für die Grundausbildung der Teenager. „Wir haben darin stark investiert“, sagt Oliver Runschke vom ADAC, „uns fehlt ein junger Röhrl seit Jahren.“ Der Automobil-Club hat als Veranstalter der Rallye höchstes Interesse daran, für siegfähige Lokalmatadore zu sorgen, um die Attraktivität der Veranstaltung zu garantieren. Der Einstieg in die Szene erfolgt über die ADAC Opel Rallye Academy, an der sich jeder anmelden kann. Die Besten steigen in den ADAC Opel Rallye Cup auf, und Rohdiamanten erhalten eine Förderung von bis zu 60 000 Euro. „Das Interesse an der Basis ist riesig“, sagt Runschke, „wir müssen die Förderung optimal gestalten, damit ganz oben auch die Besten ankommen. Aber das geht nicht über Nacht.“

Fabian Kreim hält die Karten in der Hand, um bald einmal die deutschen Zuschauer bei der Heim-Rallye zu begeistern. Die Akte Sepp Wiegand ist geschlossen. Er arbeitet im Betrieb des Vaters, hofft, als Fahrinstruktor nebenbei etwas zu verdienen – und bei den Starts in der deutschen Meisterschaft verarbeitet er seine verpasste Chance.