Ramon Gehrmann, Trainer der Stuttgarter Kickers „Wir wissen alle, dass wir liefern müssen“

Zuletzt stimmte die Richtung nicht, doch Trainer Ramon Gehrmann ist optimistisch, die Stuttgarter Kickers wieder auf Kurs zu bringen. Foto: Baumann

Der Druck auf Oberligist Stuttgarter Kickers steigt. Trainer Ramon Gehrmann äußert sich nach zuletzt fünf Pflichtspielen ohne Sieg zur Krise bei den Blauen und erläutert, warum er nie zu einer Kopie von Felix Magath wird.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Fußball-Oberligist Stuttgarter Kickers steht an diesem Samstag (14 Uhr/Gazi-Stadion) vor einem wichtigen Heimspiel gegen Aufsteiger 1. FC Rielasingen-Arlen. „Ich kann versichern, die Spieler ziehen zu 100 Prozent mit. Wir alle investieren noch mehr, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen“, sagt Trainer Ramon Gehrmann, der im Interview auch Einblicke in seinen Führungsstil gibt.

 

Herr Gehrmann, wie lief die Woche?

Gut. Die Mannschaft trainiert sehr konzentriert, engagiert und intensiv.

Der Sportliche Leiter Lutz Siebrecht hatte zum Beginn der Woche klare Worte gesprochen und mit Konsequenzen gedroht. Wie haben Sie und die Mannschaft diese aufgenommen?

Wir stehen ja im täglichen Austausch, von daher haben mich seine Worte nicht überrascht.

Sie hätten Sie aber nicht gewählt?

Warum? Wenn die entsprechende Frage kommt, wahrscheinlich schon. Wir haben vier Mal nicht gewonnen. Soll da der Sportliche Leiter oder der Trainer sagen: Alles wunderbar, auch wenn wir das fünfte Mal nicht gewinnen: Wir machen ohne jegliche Konsequenzen genau so weiter? Konsequenzen sind doch jedem bewusst, der Fußball auf diesem Niveau spielt. Jeder Arbeitnehmer, egal in welcher Branche, weiß, dass er die richtigen Ergebnisse liefern muss. Und wenn das nicht der Fall ist, weiß er auch, dass das Folgen haben kann.

Lesen Sie hier: Stuttgarter Kicker – Lutz Siebrecht droht mit Konsequenzen

Der ehemalige Profi Lutz Siebrecht ist, salopp formuliert, der harte Hund, Sie eher der einfühlsame Pädagoge – trifft es das und ergänzen Sie sich dadurch vielleicht sogar ganz gut?

Wir ergänzen uns in vielen Bereichen sehr gut, aber in diesem Falle trifft das nicht zu, weil das suggeriert, ich wäre zufrieden mit den Ergebnissen.

Sie werden nicht nur als absoluter Fußball-Fachmann beschrieben, sondern auch als verständnisvoll und nett. Stört Sie das?

Zu nett, zu lieb, zu weich – damit kann ich nichts anfangen. Was ist ein harter Hund, was ein weicher? Ich werde garantiert nie zu einer Kopie von Felix Magath. Aber so funktioniert der Fußball auch nicht mehr. Und: Hatten die Stuttgarter Kickers mit so genannten harten Trainer mehr Erfolg?

Aber ist in gewissen Situationen und bei bestimmten Spielertypen nicht auch einmal eine klare Kante nötig?

Ich habe in meiner Trainerlaufbahn bereits harte und konsequente Entscheidungen getroffen, wenn es erforderlich war. Gleichzeitig habe ich es den Spielern natürlich auch begründet. Klare Regeln und Vorgaben sind sehr wichtig! Aus psychologischer Sicht ist es aber unsinnig, nach verlorenen Spielen die Spieler zu bestrafen. Es gilt vielmehr, rationale Gründe für Misserfolge zu finden und daran ganz gezielt zu arbeiten.

Lesen Sie hier: Erstes Stuttgarter Weihnachtssingen im Kickers-Stadion

Was sind denn die rationalen Gründe dafür, dass es seit vier Oberligaspielen für die Kickers keinen Sieg mehr gab und es dabei elf Gegentore setzte?

Wir haben uns vor der Saison für einen Umbruch entschieden, und wir haben uns ja etwas dabei gedacht, welche Spieler wir für unsere neue Spielidee zu den Stuttgarter Kickers holen. Das hat am Anfang, finde ich, fast schon überraschend schnell und gut geklappt. Dann haben sich drei Schlüsselspieler verletzt (Anm.d.Red.: David Kammerbauer, Marvin Weiss, Markus Obernosterer), was aber keine Entschuldigung sein soll.

Sondern?

Weil es nicht der einzige Grund ist. Aber hat uns vielleicht etwas den Rhythmus und die eingespielten Abläufe genommen. Wenn man, wie wir beim SV Oberachern eine 4:1-Führung verspielt, dann ist das auch eine mentale Sache, das hängt einem nach. Es gab da in kurzer Zeit mehrere Faktoren, die zu diesem Unterschieden beigetragen haben. Das ist alles auf dem Platz passiert, erklärbar und hat mit Aussagen des Sportlichen Leiters oder dem Charakter des Trainers nichts zu tun.

Die Kickers arbeiten unter Profibedingungen. Das hebt sie (vom VfB II abgesehen) von der Konkurrenz ab. Die Enttäuschung im Umfeld, bei sieben Punkten Rückstand auf die Spitze, ist verständlich. Oder sehen Sie das anders?

Nein. Wir sind ja selbst nicht zufrieden mit der Situation, aber wir bewahren die Ruhe und verfallen nicht in Aktionismus. Ich kann versichern, die Spieler ziehen zu 100 Prozent mit. Wir alle investieren noch mehr, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen.

Lesen Sie hier: Immerhin das Kickers-Lied steigt auf

Also haben Siebrechts Worte schon gewirkt?

Den Spielern war die Situation bekannt – auch vor den Aussagen von Lutz. Und das Engagement war auch schon zuvor vollumfänglich da. Aber noch einmal: Lutz und ich sind uns in allem einig. Der Indikator nach außen ist immer das Ergebnis. Es wird Leistung verlangt und das hat er eingefordert.

Haben Sie eine Erklärung, warum sich viele andere Clubs in der Liga leichter tun?

Zunächst treten die meisten Vereine als „gefühlter“ Außenseiter bei uns an und können immer ohne Erwartungshaltung und Druck befreit aufspielen, quasi wie in einem Pokalspiel gegen einen Klassenhöheren. Mit Sicherheit haben viele Mannschaften oder Spieler in dieser Liga nicht den großen Druck.

Lesen Sie hier: Stimmen zum Kickers-Trainer: „Für Ramon Gehrmann gehen die Spieler durchs Feuer“

Umso wichtiger, dass die Gegner von Beginn an spüren, dass die Kickers mit den gleichen Tugenden dagegenhalten.

Druck und Öffentlichkeit können wir nicht beeinflussen, aber wir können uns im Training auf Intensität vorbereiten und gleichzeitig an unserem eigenen Spiel arbeiten. Und ich bin sicher, wir werden dies auch am Samstag auf dem Platz sehen. Wir wissen alle, dass wir liefern müssen. Die Mannschaft hat einen guten Charakter und wird am Samstag alles dafür tun, das Spiel zu gewinnen.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Interview Stuttgarter Kickers