Die Hälfte seiner Arbeitszeit muss Ulrich Knoblauch für das neue Haushaltsrecht aufwenden.

Weil der Stadt - Sechs Stühle stehen im Besprechungsraum der Tourist-Info am Weil der Städter Marktplatz. Auf einem davon sitzt Kämmerer Ulrich Knoblauch und erklärt die Doppik, die doppelte Buchführung, die seit diesem Jahr für den Haushalt der Stadt Weil der Stadt gilt – wie für alle anderen Kommunen in Baden-Württemberg auch. Das klingt zwar nach trockener Verwaltungsmaterie, hat die aber Stadtverwaltung viel Hirnschmalz gekostet und ganz praktische Auswirkungen auf ihre Arbeit.

 

Zum Beispiel die sechs Stühle im Besprechungsraum. „Ich als Kämmerer bin jetzt auch Bilanzbuchhalter“, erklärt Knoblauch. „Alle Vermögensgegenstände müssen wir nun bilanzieren.“ Grob gesprochen: In der alten Kameralistik hat die Stadtverwaltung aufgeschrieben, was sie eingenommen und ausgegeben hat.

Jetzt muss die Stadt es machen wie ein Kaufmann: Das komplette Vermögen steht in der Bilanz, samt entsprechender Abschreibungen. Mit Jennifer Lutz und Max Knecht hat Weil der Stadt eigens zwei junge Mitarbeiter eingestellt, die sich schwerpunktmäßig um die Umstellung auf das neue Haushaltsrecht kümmern.

„Am zeitaufwenigsten sind dabei die Vermögenserfassung und Vermögensbewertung“, berichtet Ulrich Knoblauch. Jedes Grundstück, jedes Gerät beim Bauhof und jede Tafel mussten dabei erfasst und alle Gegenstände über 1000 Euro mit ihrem Wert eingetragen werden. „Wie ein Kaufmann haben wir künftig auch eine Inventur“, sagt der Kämmerer. Da nehmen die städtischen Mitarbeiter die sechs Stühle in der Tourist-Info also regelmäßig in Augenschein, denn zumindest alle drei Jahre werden sie gezählt.

Das Rathaus ist abgeschrieben – und einen Euro wert

Aber was besitzt denn eine Stadt überhaupt – und wie viel ist es wert? Das ist durchaus ein bisschen kurios. „Unser Rathaus am Marktplatz ist einen Euro wert“, erklärt Knoblauch ganz trocken. Dabei geht es nur um das historische Gebäude, das von 1665 stammt und deshalb längst abgeschrieben ist. Das Grundstück, auf dem es steht, wird nach dem Bodenrichtwert bewertet. Mehr wert ist übrigens das Merklinger Rathaus nach seiner Sanierung für etwa eine Million Euro.

Die Stadt hat eine Firma beauftragt, alle Straßen zu bewerten. Diese muss genau analysieren, wann eine Straße zuletzt saniert wurde, was der Bau damals gekostet hat und wie viel bereits abgeschrieben ist.

Kommende Woche entscheidet der Gemeinderat über den ersten doppischen Haushalt. „Das ist schon ein Meilenstein“ , erklärt Ulrich Knoblauch. Auch wenn damit das Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist. Denn erst 2021 ist die Eröffnungsbilanz fertig, in der steht, wie vermögend die Stadt insgesamt ist. Solange enthält der Haushalt noch Schätzungen.

Die Gemeinderäte selbst mussten sich da richtig hineinfuchsen. Zwei sehr intensive Abende mit jeweils vier Stunden haben sie zugebracht, die Doppik kennenzulernen. Andere Kommunen haben sich dafür externe Referenten eingekauft. „Mein Anspruch war es, das selbst zu erklären“, sagt Knoblauch. „Und das hat auch gut geklappt.“

Umstellung war ein Kraftakt

Seit 2012 ist der 47-Jährige Kämmerer in Weil der Stadt, und auch für ihn war die Umstellung ein Kraftakt. Seit einem Jahr muss er rund die Hälfte seiner Arbeitszeit nur für die Umstellung aufwenden. „Es macht aber auch Spaß“, sagt Ulrich Knoblauch. „Bis zur Eröffnungsbilanz werde ich auf allen städtischen Grundstücken gestanden haben.“ Das sind alle Straßen, Feldwege und landwirtschaftliche Grundstücke – eine Zahl im vierstelligen Bereich.

Aber was bringt es, zu wissen, wie viel die Stuttgarter Straße in der Altstadt wert ist? „Zunächst einmal nichts“, sagt Knoblauch. „Die Stuttgarter Straße wird mir niemand abkaufen.“ Das ist der Unterschied zur Sinnhaftigkeit der doppelten Buchführung in einem Unternehmen.

Bei Kommunen geht es daher um einen zweiten Aspekt der Doppik. Denn wer den Wert kennt, weiß, wie viel eine Straße verschleißt – wie viel man also theoretisch in ihren Unterhalt stecken müsste. „Somit macht die Doppik transparent, ob wir den Ressourcenverbrauch mit unseren Einnahmen abdecken können“, erklärt der Kämmerer. „Wer das nicht kann, lebt von der Substanz.“ Das wollte der Gesetzgeber bei den Kommunen verhindern. Land und Bund ersparen sich übrigens die Umstellung und bleiben bei der Kameralistik. „Spannend zu sehen ist es nun, wie viel Arbeitsaufwand uns die Doppik dauerhaft beschert“, sagt Ulrich Knoblauch. Denn das wird sie. Nur ein Beispiel: Verzeichnet ist der Weil der Städter Waldbesitz. Wenn nun der Borkenkäfer einen größeren Schaden anrichtet, schlägt sich das in der Bilanz nieder. „Alles, was die Stadtverwaltung tut, müssen wir künftig bilanzieren“, sagt er. Und sei es nur die Ausmusterung von sechs Stühlen.