Der Wolf als Kreatur hat ein Lebensrecht und als „Gesundheitspolizist“ im Wald, der die natürliche Auslese fördert, sehr wohl seinen ökologischen Sinn, kommentiert unser Redakteur Christoph Link.

Stuttgart - Wenn es bei Straßen- oder Eisenbahnprojekten um die Interessen von seltenen Tieren wie Mopsfledermaus oder Gelbbauchunke geht, um ihre kostspielige Umsiedlung oder die Schaffung von neuen Lebensräumen an anderer Stelle, melden sich Kritiker gern zu Wort: Da seien wohl wieder „grüne Spinner“ am Werk, die für die Belange einer Tierart mit ulkigen Namen Steuer-Millionen verschleudern wollen. Doch der Vorwurf gründet auf einem Irrtum. Der auch für den Wolf in Deutschland geltende strenge Artenschutz resultiert aus einer EU-Richtlinie, die in der Kanzlerschaft von Helmut Kohl von allen EU-Mitgliedern beschlossen worden war. 1997 hatte sie die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel in nationales Recht überführt. Soweit zur Vorgeschichte.

 

Zum Schutz des Wolfes verpflichtet

Die EU will mit ihrer Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Flora, Fauna, Habitat) die Artenvielfalt unterstützen und das ökologische Gleichgewicht bewahren. Das ist gut so. Das wird auch in Deutschland parteiübergreifend so verstanden. In der aktuellen Diskussion um die Rückkehr des Wolfes nach Baden-Württemberg scheint dies indes manchmal vergessen zu werden. Deutschland hat sich zum Schutz des Wolfes verpflichtet. Wenn sich jetzt – nachdem ein einziger Wolf drei Schafe gerissen hat – lautstarke Rufe nach seiner Bejagung erfolgen, ist deshalb zu fragen, wo diese Stimmen denn vorher waren. Andere europäische Länder, auch die östlichen und nördlichen Bundesländer, leben seit Jahren mehr oder weniger problemlos mit wieder angesiedelten Wolfsrudeln. Die zuständigen Regierungen kümmern sich um das Nebeneinander von Landwirtschaft und Wolf mit einem Wolfsmanagement, Ausgleichszahlungen und Beratung. Jetzt kommt der Wolf zu uns, und die Aufregung ist groß.

Kritik ist legitim

Der Wolf ist in der DDR bejagt worden, erst seit 2000 dringt er von Polen kommend wieder in den Westen vor. Es setzt bei uns stets ein allgemeines öffentliches Wehklagen ein, wenn in fernen Gefilden wild lebende Tiere wie Tiger, Löwen oder Elefanten abgeknallt werden oder wenn die Japaner wieder mal Wale harpunieren. Und die Kritik ist legitim. Kommt nun ein vor 150 Jahren ausgerotteter Prädator ins Land zurück, sollten diejenigen, die global den Artenschutz einfordern, diesen aber auch hierzulande beherzigen. Wenn von Stuttgart aus ein Signal zur Bejagung des Wolfes ausgesandt wird – wie es Landwirtschaftsminister Peter Hauk tut –, untergräbt dies die Mühen all jener, die europaweit den Artenschutz fördern und sich an seine Vorschriften halten.

Politik muss handeln

Mag sein, dass der massive Rückgang an Insekten, der die Ökologie ins Wanken bringen kann, derzeit das wichtigere Thema ist als das Schicksal einiger Wölfe. Trotzdem hat der Wolf als Kreatur ein Lebensrecht und als „Gesundheitspolizist“ im Wald, der die natürliche Auslese fördert, sehr wohl seinen ökologischen Sinn. Aber ein Wolfsmanagement ist aufwendig und anstrengend. Die Ängste der Bauern und der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Wobei mancher Spaziergänger im Forst sich eher vor einem von der Leine gelassenen Rottweiler oder Pitbull fürchtet, als vor einem im Prinzip menschenscheuen Wolf, der bei Verhaltensauffälligkeiten nach aktueller Rechtslage getötet werden darf. Die Landespolitik muss jetzt handeln und Schutzprogramme für die Schafherden auflegen. Das ist aufwendig und mühsam. Abknallen, wie es unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert machten, ist da einfacher. Aber es ist der falsche Weg. Und eine Respektlosigkeit gegenüber der Natur.

christoph.link@stzn.de