Frau Sideri, an welchen Fall können Sie sich besonders gut erinnern?
An den einer Mitarbeiterin einer großen Bank. Sie wollte nach der Elternzeit in Teilzeit auf ihre Stelle zurückkehren, das hatte die Bank abgelehnt und ihr stattdessen eine andere Tätigkeit angeboten und sie zwei Tarifgruppen schlechter eingruppiert. Die Frau war aufgelöst und hat die Welt nicht mehr verstanden. Kurz bevor sie schwanger wurde, hatte sie noch eine Gehaltserhöhung für besonders gute Leistungen bekommen. Nun war sie zu einer Person geworden, die man nicht mehr wertschätzte.
Wie ging das aus?
Das Problem ist: Es gibt zwar ein Recht auf Teilzeit per Gesetz ab einer Betriebsgröße von 15 Mitarbeitern, aber wenn der Arbeitgeber das ablehnt, muss man es vor Gericht einklagen. Das wollte die Mandantin aber nicht. Es ist leider häufig so, dass Frauen diesen Weg scheuen. Sie hat dann mit ihrem Arbeitgeber verhandelt und zumindest erreicht, dass die Schlechterstellung nur befristet galt. Aber klar war für die Frau dann auch: Dort bleibe ich nicht mehr lange.
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Mit welchen Problemen kommen Eltern noch zu Ihnen?
Es sind im Grunde nur Frauen, die sich zu dieser Thematik von mir beraten lassen. Meist ist es tatsächlich der Teilzeitwunsch, der vom Arbeitgeber abgelehnt wird. Oft läuft den Betroffenen die Zeit davon. Die Elternzeit geht zu Ende und sie können ganz einfach nicht in Vollzeit zurückkehren, weil sie sonst ein Betreuungsproblem haben.
Was raten Sie in solchen Fällen?
Auf keinen Fall einfach zu kündigen, was tatsächlich manche machen. Eine Klage hat meist gute Chancen, weil die Hürden, den Teilzeitwunsch abzulehnen, für Arbeitgeber hoch sind. Aber ich habe in Fällen, in denen die Frau das Unternehmen trotzdem verlassen wollte, auch schon Abfindungen herausgehandelt oder Aufhebungsverträge, die den Bezug von Arbeitslosengeld sichern. Manchmal ergeben sich auch Kompromisse: In einem Fall konnten wir am Ende erzielen, dass die Frau in Teilzeit arbeiten konnte, aber die Stunden anders verteilt waren als ursprünglich beantragt.
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Wie kann man als Mutter oder Vater verhindern, dass es überhaupt zu einer Auseinandersetzung kommt?
Ich habe natürlich nur mit den Fällen zu tun, in denen es schiefläuft. Aber dabei stelle ich häufig fest, dass beide Seiten zu wenig miteinander geredet haben. Eltern sollten sich am besten schon während der Schwangerschaft klar werden, wann wer wie lange Elternzeit nimmt und wer danach mit wie vielen Prozenten wieder in den Beruf einsteigt. Und ich kann nur dazu raten, auch den Vater in dieses Modell mit einzubeziehen. Das tun viele Paare nicht.
Wann redet man mit dem Chef oder der Chefin über seine Pläne?
Am besten auch schon während der Schwangerschaft, auch wenn man das rechtlich nicht muss. Im Grunde sollten Aus- und Wiedereinstieg ein gemeinsamer Prozess von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein, bei dem die Eltern Vorschläge machen können, wer in ihrer Abwesenheit welche Aufgaben übernehmen könnte. Es ist keine gute Idee, sich in die Elternzeit zu verabschieden und nichts mehr von sich hören zu lassen bis kurz vor der Rückkehr. Dafür müssten aber auch beide Seiten wissen, welche Rechte und Pflichten sie haben.
Ist das nicht der Fall?
Vielen meiner Klientinnen ist nicht klar, welche Rechte sie haben. Zum Beispiel – ganz grundlegend –, dass der Vater ebenfalls drei Jahre Elternzeit pro Kind nehmen kann und genauso einen Teilzeitanspruch hat. Oder dass der Arbeitsvertrag die Elternzeit hindurch und danach weiter gilt. Man muss keinen neuen Vertrag unterschreiben. Will der Arbeitgeber das, müsste er den alten kündigen, was nicht so einfach ist. Natürlich kann es manchmal sein, dass der Arbeitsplatz nicht mehr da ist, etwa weil das Unternehmen umstrukturiert wurde. Aber auch dann gibt es Hürden für eine Kündigung.
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Wie gut ist die Arbeitgeberseite über das Thema Elternrechte informiert?
Da gibt es große Unterschiede. Meiner Meinung nach müssten Betriebe das Thema aktiv in ihre Personalplanung und -politik einbeziehen. Ich kann doch nicht Frauen einstellen und ausklammern, dass diese Kinder bekommen können! Als Arbeitgeber muss ich mir überlegen, welche Modelle ich anbieten kann und wie ich Eltern zum Beispiel beim Thema Kinderbetreuung unterstütze. Im Grunde müssten auch alle Führungskräfte dazu geschult werden. Zum Beispiel haben viele das Thema Brückenteilzeit nicht auf dem Schirm.
Warum ist die für Eltern interessant?
In Betrieben ab 45 Mitarbeiter können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit 2019 bis zu fünf Jahre lang ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich um Kinder oder alte Angehörige zu kümmern. Danach haben sie ein Rückkehrrecht in Vollzeit. Man landet damit also nicht in der Teilzeitfalle.
Was gibt es noch für Möglichkeiten?
Zum Beispiel die sogenannte Teilzeit in Elternzeit. Der Vater oder die Mutter beantragt dabei drei Jahre Elternzeit, kehrt aber nach einem Jahr in Teilzeit an den Arbeitsplatz zurück. Der Vorteil ist: Man behält den Vollzeitanspruch bis zum Ende der Elternzeit und hat dem Arbeitgeber schon mal gezeigt, dass man die Tätigkeit auch in Teilzeit erledigen kann. Wer erst Teilzeit in Elternzeit und dann Brückenteilzeit macht, kann sich sehr lange das Rückkehrrecht in die Hundert-Prozent-Stelle bewahren.
Können Sie manchmal auch die Arbeitgeberseite verstehen?
Ich hatte mal eine Mandantin, die von 8 bis 12 Uhr arbeiten wollte. Aber der Laden, in dem sie angestellt war, hat erst um 10 Uhr aufgemacht. Da liegt es natürlich auf der Hand, dass dieser Teilzeitwunsch abgelehnt wird. Natürlich ist es auch schwierig, wenn ein Arbeitgeber feste Schichtsysteme hat und der Teilzeitwunsch dann zwischen diesen festen Schichten liegt. Es ist also schon wichtig, die Zeiten so zu beantragen, dass sie in das betriebliche System passen.
Dass Mütter früh wieder arbeiten gehen ist ein vergleichsweise junges Phänomen. Dauert es nicht seine Zeit, bis sich Arbeitgeber darauf eingestellt haben?
Es gibt jetzt schon viele Unternehmen, die vorbildlich im Umgang mit Eltern sind. Solche Vorbilder braucht es. Es geht aber nicht nur darum, ein Teilzeitmodell möglich zu machen, es geht um die ganze Unternehmenskultur: Vermittle ich Mitarbeitenden das Gefühl, dass man sich darauf freut, dass sie nach der Elternzeit wieder kommen und sie auch in Teilzeit wertgeschätzt werden – oder tue ich das nicht. Das ist in der Fläche noch überhaupt nicht angekommen. Kürzlich rief mich wieder eine Frau an, der man vor der Elternzeit gesagt hatte, sie brauche danach gar nicht wiederzukommen. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels!
Smaro Sideri
Engagement
Smaro Sideri, Jahrgang 1974, stammt aus Esslingen und lebt heute mit Mann und zehnjährigem Sohn in Oberboihingen im Kreis Esslingen. Sie ist Vorstandsmitglied im Verband berufstätiger Mütter.
Podcast
Die Arbeitsrechtlerin berät berufstätige Eltern ebenso wie Betriebe zum Thema Vereinbarkeit und bietet Seminare dazu an. In ihrem Podcast „Mother’s Comeback“ und auf Instagram klärt sie außerdem über das Thema auf.
Dieser Text erschien erstmals am 16.12.2021.