Der Präsident des Bundeskriminalamtes gibt Ermittlungsfehler zu, weist aber jede Schuld von sich. Beim Verfassungsschutz wurden brisante Akten vernichtet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Jörg Ziercke benimmt sich zunächst nicht wie ein Zeuge des Untersuchungsausschusses, sondern eher wie ein Angeklagter. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung. Er klingt zerknirscht und einsichtig. Ziercke bekundet sein Bedauern und die Scham darüber, dass es über Jahre nicht gelungen sei, eine Mordserie zu verhindern, der zehn Menschen zum Opfer fielen, die fremdenfeindlichen Hintergründe zu erkennen und die rechtsextremistischen Täter dingfest zu machen. Der Sicherheitsapparat von Bund und Ländern habe komplett versagt, räumt der BKA-Chef ein. „Wir hätten uns schon Anfang der neunziger Jahre dazu durchringen müssen, die Bekämpfung des Rechtsextremismus zentral zu organisieren.“

 

Nach diesem Bekenntnis wechselt Ziercke die Tonlage. Er wird zunehmend unwirscher, rechthaberischer, ja regelrecht aufsässig. Fragen der Abgeordneten kontert er giftig. Am Ende versteigt er sich zu der Behauptung, er selbst und seine Behörde, die er seit 2004 leitet, hätten in dem Fall der Zwickauer Neonaziterroristen eigentlich alles richtig gemacht. Er persönlich war zwar der Ansicht, dass die Fahndung dem BKA hätte übertragen werden müssen. Das wurde ihm verwehrt. Bayerns damaliger Innenminister Günther Beckstein hätte dies als „Kriegserklärung“ empfunden. Deshalb wurde 2006 vereinbart, das BKA an einer gemeinsamen Steuerungsgruppe der Fahnder von der Länderpolizei zu beteiligen, sie in das Informationsnetz mit einzubinden. Auf Zierckes Drängen wurde damals eine Belohnung von 300 000 Euro ausgelobt.

Beim Verfassungsschutz werden brisante Akten vernichtet

Danach brach die Mordserie ab. Ziercke rechnet sich das als Verdienst an. „Mir hat die Praxis recht gegeben“, sagt er. Von dem CDU-Innenexperten Clemens Binninger muss er sich schließlich zurechtweisen lassen: „Für Hochmut ist in diesem Ausschuss eigentlich kein Platz.“ Auch die Sozialdemokratin Eva Högl wundert sich über Zierckes „Arroganz“. Noch renitenter und uneinsichtiger muss der BKA-Chef sich tags zuvor im Innenausschuss des Bundestages aufgeführt haben, so berichten Sitzungsteilnehmer. Er werde offenbar nervös, weil seine Ermittlungsergebnisse „davonschwimmen“, sagt ein Mitglied des Ausschusses. Ziercke und der Generalbundesanwalt Harald Range hätten ganze fünf Minuten benötigt, um vor Gericht verwertbare Erkenntnisse vorzutragen. Von der These, das Zwickauer Trio habe sich in einem weitverzweigten Netzwerk bewegt, sei offenbar wenig übrig geblieben. Ziercke äußert sich an diesem Donnerstag eher in dem Sinne, als habe es sich um eine isolierte Gruppe gehandelt. Er betont den „hohen Grad der Abschottung“ und die „fast schon professionelle Geheimhaltung“ des Terzetts – als ob das eine Erklärung für die Ermittlungsmängel wäre.

Unterdessen hat der Ausschuss erfahren, dass der Verfassungsschutz brisante Akten vernichtete, nachdem das Trio aus Zwickau bereits aufgeflogen war. Dem Vernehmen nach sollten die Verfassungsschützer am 11. November 2011 Dokumente für die Bundesanwaltschaft zusammenstellen. Stattdessen seien am selben Tag Unterlagen vernichtet worden. Die Sozialdemokratin Eva Högl wertet das als „Skandal“. Nun stehe der Verdacht im Raum, dass Fehler der Sicherheitsbehörden vertuscht werden sollten. „Solche Vorkommnisse machen es schwierig, Verschwörungstheorien überzeugend entgegenzutreten“, sagt Sebastian Edathy (SPD), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, angewiesen, den Vorgang lückenlos aufzuklären. Fromm ist für kommende Woche als Zeuge vor den Ausschuss geladen.